INNS´WURST (8): Irrelevantes Fünftel

19. März 2024
2 mins read
(c) Helmuth Schönauer

In den Schaltzentralen für lokale Parteien rauchen für die Gemeinderatswahl offensichtlich Köpfe und Desktops. Immer öfter dringt daraus Zahlenmaterial an die Öffentlichkeit, das dem „hochgeschätzten Stimmvieh“ zeigt, was die Parteien von einem halten.

Hochgeschätzt ist hier nicht als Wertschätzung, sondern als mathematische Operation gemeint.

Die Hauptaussage: Das jüngste Fünftel der Wählerschaft ist nicht besonders Urnen-affin, weshalb es sich für die Parteien auch nicht lohnt, sich um sie zu bemühen. 

Die Statistik scheint recht eindeutig zu sein:
„Die stärkste Altersgruppe in Innsbruck sind die 20 bis 29-Jährigen. Im restlichen Tirol sind es die 50 bis 59-Jährigen.
Aber auch wenn die Jungen und EU-Ausländer eine große Gruppe sind – beim Wählen selbst sind sie weit weniger fleißig. Im Gegensatz zu Älteren und Einheimischen bleiben sie am Wahltag häufig zu Hause.“
red, tirol.ORF.at

Politische Strategen machen eine recht einfache Rechnung auf, indem sie den Werbe- und Buhl-Aufwand für eine Stimme in Zahlen hochrechnen. So lohnt es sich eben zweimal mehr, eine „seniore“ Person zu umkosen, als eine „junge“. 
Vor allem der Mangel an Gadgets für Jüngere macht sich bemerkbar, immerhin liegen noch Kisten von Alt-Kugelschreibern aus den Vor-Vorwahlen herum.

Andererseits, warum sollte eine junge Person in Innsbruck überhaupt wählen gehen?

– Wer jung ist und in Innsbruck wahlberechtigt, hat meist eine Wohnung vererbt bekommen, ein anderer Mensch kommt hier gar nicht zu wohnen.

– Wer noch zu Hause wohnt, für den geht eh die Mama wählen.

– Wer aus Studiengründen nach Innsbruck gezogen ist, hat es als letztes aus politischen Gründen getan, etwa weil der Bürgermeister so prächtig am Fahrrad sitzt und locker auf den Fahrradstreifen deutet, der gerade zu Ende gegangen ist. Wegen des Stadtrads ist noch niemand extra nach Innsbruck gezogen.

– Wer studentische Belange verändern will, macht dies bei der ÖH-Wahl, wer beruflich eine Nachjustierung der Verhältnisse einfordert, macht es bei Arbeiter- oder Wirtschaftskammer.

– Die Belange der jungen Generation werden übrigens hervorragend von den Alten abgewickelt.
Die Wohnungsvermieter horchen die Studenten aus, wo die Schmerzgrenze für die Miete ist, da brauchen sie keinen Gemeinderat dafür.
Die Gastronomie klopft die Kids danach ab, wie viel sie sich beim Ausgehen leisten können, da braucht es keinen Magistratsbeschluss dafür.

Und die digitale Abwicklung diverser Arbeitsfelder braucht ein flottes Netz, aber keinen stockenden Gemeinderat, der sich täglich gegenseitig foult.

Die junge Generation reagiert also instinktiv richtig, wenn sie der Wahl aus dem Weg geht.

Und wer von den Jungen dann wirklich politisch interessiert ist, gründet gleich eine eigene Partei und tut sich das Gewürge an der Wahlurne gar nicht an.

Das jüngste Fünftel der Wahlberechtigten ist für die meisten Parteien irrelevant.

Da lohnt es sich noch eher, mit einer Hundepartei die 5000 Hundehalter in der Stadt anzusprechen.

Bei der Scooter-Partei wird es schon heikel, dass sie in den Gemeinderat kommt.
Die beiden Anbieter dürfen je 225 Tretroller auf städtischem Areal abstellen.
Selbst wenn alle damit ferngesteuert und ohne Benutzer zur Urne unterwegs sind, wird es knapp, ein Mandat zu erreichen.

STICHPUNKT 24|18, geschrieben am 21.02. 2024

Geboren 1953. Ist seit Gerichtsverfahren 1987 gerichtlich anerkannter Schriftsteller, bis 2018 als Bibliothekar an der ULB Tirol. Als Konzept-Schriftsteller hält er sich an die These: Ein guter Autor kennt jeden Leser persönlich.

Etwa 50 Bücher, u.a.:
* BIP | Buch in Pension | Fünf Bände (2020-2024)
* Anmache. Abmache. Geschehnisse aus dem Öffi-Milieu. (2023)
* Austrian Beat 2. [Hg. Schneitter, Schönauer, Pointl] (2023)
* Verhunzungen und Warnungen. | Geschichten, entblätterte Geschichten, verwurstete Geschichten. (2022)
* Outlet | Shortstorys zum Überleben (2021)
* Antriebsloser Frachter vor Norwegen | Austrian Beat (2021)
* Tagebuch eines Bibliothekars | Sechs Bände (2016-2019)

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Vorheriger Artikel

Utopia

Nächster Artikel

Politik und Kuchen

Latest from Politik

Glättungen

Das Un-Wort des Jahres 2025 wurde wahrscheinlich bereits jetzt, im Jänner, geboren.

Vorbild Kirchberg

Das kleine Kirchberg in Tirol kann ab nun stolz darauf sein, als Muster für erfolgreiche Groß-Immobiliendeals weltweit herzuhalten.

INNS´WURST (4): Alles erledigt?

In einem Schulwitz wird behauptet: Die Zeugnisse dienen nur dem Lehrpersonal, damit dieses später Schwarz-auf-Weiß den Pensionsanspruch dokumentieren kann.

Könnte auch spannend sein

Vom Schummeln und Lügen –– Die neue Sprache nach der Innsbruck-Wahl

Wer hätte gedacht, dass die Innsbrucker Gemeinderatswahl -- nach jahrelangem, bäuerlich unverblümtem

Meine Prognose(n) zur Stichwahl

Absolut subjektiv und ohne Gewähr.

Zu viel und zu wenig

Jahrzehntelang litt man unter dem sehr kargen politischen Angebot.