Wer hätte gedacht, dass die Innsbrucker Gemeinderatswahl — nach jahrelangem, bäuerlich unverblümtem Hauen und Stechen — zu innovativer und manchmal geradezu woker Wortwahl führt?
Landeshauptmann Mattle bezeichnete Innsbruck als „Stadt mit ganz besonderen Bedürfnissen.“ * Wie schön, dass die sensible Sprechweise nun auch schon in der Politik angekommen ist. Früher hätte man stattdessen einfach von einer „voll depperten“ oder „blöden“ Stadt gesprochen. Gemeint ist aber wahrscheinlich noch dasselbe. Auch eine Frau im Straßeninterview* kommentierte den Wahlausgang emotional, aber doch vornehm: „Ich bin entsetzt. (…) Innsbruck ist noch nicht reif für Tursky.“ Ja, auch damit ist alles gesagt. Ob diese Stadt allerdings jemals einen solchen Reifegrad wird erreichen können bei ihrer vom Landeshauptmann höchstselbst festgestellten Bedürftigkeit, ist die Frage. Wahrscheinlich ist Innsbruck für alle Zeiten ein hoffnungsloser Fall. Da ist es kein Wunder, wenn ihr altgediente Politiker wie altgediente Wähler reihenweise davonlaufen.
Florian Tursky* seinerseits meinte nach der verlorenen Wahl: „Vergangenheitsbewältigung zu betreiben ist jetzt der falsche Zeitpunkt.“ Damit steht er voll in der bald 80-jährigen Tradition seiner Partei. Die hat in all den Jahrzehnten den richtigen Zeitpunkt dafür einfach nie gefunden, wahrscheinlich auch nicht sehr danach gesucht. Seine Liste „Das Neue Innsbruck“ sah dementsprechend schon von Anfang an alt aus. Und wenn der Spitzenkandidat nach der Wahl dann noch extra glaubte betonen zu müssen, dass es keinen „Deal“ mit der Abspaltungsliste von Hannes Anzengruber gebe, dann klingt in diesem Wort verräterisch Trumps Lieblingsphrase durch — und jeder weiß inzwischen, was davon zu halten ist –, andererseits schlägt der Begriff beim Hörer auch sofort eine Assoziationsbrücke zu laufenden parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, in denen täglich neue grauslige Absprachen, eben „Deals“, zum Nachteil der Republik verhandelt werden. Manche Wörter ließe man in der Politik zurzeit besser unausgesprochen.
Anzengruber seinerseits, der sich nun fürs Bürgermeisteramt als jemand anpreist, der „keine Politik von der Schule heraus macht“**, dem würde man als gelerntem Almwirt, dessen Bachelorarbeit schon einige Schwächen aufwies, noch ein paar Deutsch-Nachhilfestunden vergönnen.
Politberater Thomas Hofer erklärt im APA-Gespräch das magere Abschneiden der FPÖ mit dem Vorhandensein von „Überlaufgefäßen“, d.h. vielfältigen Parteiangeboten. ** Damit gibt er dem Wort eine ganz neue metaphorische Bedeutung, welche schön sowohl die Protestparteien-Wechselwähler als auch deren psychische Befindlichkeit umschreibt. Und die FPÖ selbst zeigt in ihren Kommentaren zum Wahlausgang wieder einmal Legasthenie-Symptome: „Linkslinke Listen regieren nun im Gemeinderat.“** Damit fasst Herr Abwerzger in einem Aufwasch Grüne, Alternative Liste und KPÖ zusammen. Naja, die Fähigkeit richtig zu addieren, wo die echten Mehrheiten liegen, und zu differenzieren war ja noch nie eine FPÖ-Eigenschaft. Und wenn dann noch Rot-Grün-Farbenblindheit dazukommt …
*) ORF, Tirol Heute, vom 15.4.24