In Wahlzeiten sind wieder allseits Märchenerzähler unterwegs und tischen uns die wohlklingendsten Visionen auf. Doch wer noch mit Grimm´schen Märchen aufgewachsen ist, weiß, dass die meisten dieser Geschichten selbst gerade von betrügerischen Märchenerzählern handeln.
Denken wir nur an Rumpelstilzchen. Dieser böswillige Kobold verhilft einem machthungrigen Vater dazu, sein Kind zur Königstochter zu machen, indem der Wicht hilft, aus Stroh Gold zu spinnen. Am Anfang kostet das nur ein bisschen Bestechungsgeld, doch am Ende verlangt der Aufstiegsgehilfe den allerhöchsten Lohn: das Königskind, das heißt die Thronnachfolge … Der Verrat fliegt nur durch die Hybris des machthungrigen Kobolds auf: Er singt allzu laut und siegesgewiss vor sich hin: „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!“, (heute wäre das wahrscheinlich eine unbedachte Chatnachricht) was dem verlogenen Usurpator letztlich zum Verhängnis wird und den Fortbestand des Königreichs rettet.
Oder denken wir an andere Märchen, welche eigentlich allen bekannt wären und die trotzdem keiner ernst nimmt: Hänsel und Gretel oder Rotkäppchen, wo böse Ungeheuer arglose Kinder mit wohlklingenden Lügen anlocken, um sie anschließend mit Haut und Haar verschlingen zu können.
Nur das tapfere Schneiderlein ist mit seinen Lügen erfolgreich, weil seine Zuschauer auch gar zu kurzsichtig und/oder dumm sind bzw. nicht genau oder überhaupt nicht hinschauen, sodass er ihnen alten Käse als solides Gestein verkaufen kann, wie das kleine Wichte ja auch in der realen Politik seit Urzeiten immer wieder mit Erfolg versuchen.
Fazit: Es würde sich lohnen, den dunklen Wald, in dem wir vor jeder Wahl verloren herumtappen, stets nach verräterisch wohlklingenden Lügen, nach Wölfen im Schafspelz, nach Versprechungen von angeblich des Zauberns Mächtigen zu durchforsten und diese rechtzeitig zu enttarnen, um nicht am Ende als Braten in deren Ofen zu landen.