Immer wieder habe ich mir in den vergangenen Jahren Gemeinderatssitzungen in Innsbruck zu Gemüte geführt. Sowohl vor Ort als auch im Livestream auf YouTube. In meinem Fall beruflich bedingt, sonst hätte ich mir das wahrscheinlich nicht angetan, weil die Debatten- und Streitkultur im Innsbrucker Gemeinderat durchaus als vergiftet bezeichnet werden konnte. Gestern war es dann soweit. Ich durfte selbst als Gemeinderat an einer Sitzung teilnehmen und ich war positiv überrascht.
Alles neu für mich
Die meisten Gemeinderätinnen und Gemeinderäte treffen kurz vor dem Start der Sitzung ein. Die letzten Minuten vor dem Start verbringen sie damit, sich gegenseitig zu begrüßen, ihre Unterlagen bereitzulegen und sich den dringend benötigten Kaffee zu holen. Für mich als Neuling ist der Ablauf etwas anders. Der Bürgermeister kommt zu mir und erklärt mir kurz den Ablauf bei der Angelobung, dann geht es auch schon los. Die Nervosität stiegt, alle Gemeinderäte stehen auf, ich trete nach vorne und werde vom Bürgermeister angelobt. Dann startet die Sitzung und es wird inhaltlich über den ersten Tagesordnungspunkt diskutiert. Derweil versuche ich mich immer noch zu orientieren. Beobachte die Kolleginnen und Kollegen, die Abläufe und versuche die wenigen Zwischentöne einzuordnen.
Viel Fokus, wenig Chaos
Die auf das Thema des heutigen Tages fokussierte Atmosphäre überrascht mich. Es geht um den Rechnungsabschluss 2023, also die Bilanz zum Budget des vergangenen Jahres. Die Rednerinnen und Redner konzentrieren sich Großteils auf das Thema, die Untergriffe sind rar gesät. Es ist eine eigene Dynamik spürbar. Vielleicht liegt es an der Zusammensetzung der Faktionen, der Sitzordnung oder der großen Anzahl von 40 Gemeinderätinnen und Gemeinderäten. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass das heutige Thema wenig Kontroversielles bietet. Schließlich sind die budgetären Zahlen des vergangenen Jahres vor allem eines: vergangen. Und wenn diese Zahlen wenig Interpretationsspielraum für Skandale lassen, dann wird die Vergangenheit auch nicht großartig ausgebreitet. Erst kurz vor Schluss kommt dann doch noch etwas Schwung ins Haus. Die Zwischenrufe eines blauen Urgesteins in Richtung des grünen „Erzfeindes“ können die Stimmung aber nicht mehr zum Kippen bringen. Fast schon zu brav dieser Gemeinderat…