Die Festival-Landschaft in Österreich ist auf den ersten Blick bunt und vielfältig. Vor allem in Sachen Free-Jazz gibt Österreich einiges her. Somit könnte man meinen, dass der Mut zum Experiment in Österreich groß ist. Pustekuchen!
Wer sich erst einmal auf diversen Festivals bewegt hat, bei denen das Experiment eigentlich zuhause sein sollte, der merkt schnell, dass man nicht nur die immer gleichen Leute trifft, sondern auch in Sachen Ästhetik und Spielstrategien der jeweiligen Musiker das Erwartbare erwarten darf.
Eine paradoxe Situation: Unter dem Diktat des Experimentes, des Unkonventionellen und des Freitonalen wird das Experiment zum abgekarteten Spiel, bei dem sich manchmal sogar ein Gähnen nicht unterdrücken lässt.
Seien wir provokant: Die Avantgarde als Denken des Fortschrittes und der musikalischen Innovationen ist tot. Wer heute noch glaubt, dass man nicht mehr tonal komponieren und musizieren könnte, der irrt sich. Der hat vergessen, dass es heutzutage nicht mehr um den puren Fortschritt geht, sondern um ein Seitwärts, Rückwärts, Gleichzeitig.
Wer heute sein Festival-Programm noch nach strikten formalen und musikalischen Kategorien programmiert, wird sich über Zuschauerschwund nicht wundern dürfen. Wer sich zu den Festival-Machern zählt, der seine Acts und Komponisten nach den Kriterien des „Avantgarde-Seins“ auswählt, befindet sich auf dem Holzweg.
Die Zeiten haben sich geändert. Nicht mehr die rigorose Linie des vermeintlichen Fortschrittes zählt, sondern die Orginalität und die Überzeugungskraft des jeweiligen Musikers selbst. Sein Umgang mit Traditionen, mit Geschichte, mit Gegenwart und Zukunft. Alles ist möglich geworden – und wer einen überzeugenden Weg durch dieses Dickicht findet, hat die HörerInnen auf seiner Seite.
FMRiese in Wattens: Zwischen Pop und Avantgarde – Pop als Avantgarde?
Das Festival „FMRiese“ in Wattens findet seinen ganz eigenen Weg durch das Dickicht und Chaos der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft. Im Mittelpunkt stehen nicht ästhetische Kriterien, die Ein- und Ausschlüsse von möglichen und nicht-möglichen Bands vollziehen und ermöglichen. Vielmehr ist es eine Fragestellung. Ein Fokus. Eine Auswahl der jeweils passenden Acts, die auf dieser basiert.
In diesem Jahr ist „Pop“ im Zentrum des Programmes. Wie wird „Popmusik“, vor allem in Österreich, im Heute ausgelegt, interpretiert und möglicherweise neu gedacht? Finden die Musiker überzeugende Antworten oder stellen sie zumindest die „richtigen“ Fragen? Es scheint so, als wären die Acts nach diesem Kriterium ausgewählt. Banales und musikalisch Seichtes hat trotz des diesjährigen Themas „Pop Here. Pop Now“ nicht ins Programm Einzug gehalten.
„FMRiese“ ist zweifellos eine Bereicherung in der österreichischen Festival-Landschaft. Weil es sich nicht einer bestimmten Ästhetik oder einem konkreten Genre verpflichtet fühlt. Das macht es einzigartig. Es stellt Fragen. Es befragt Musik und fokussiert sich auf die Musikalität der jeweiligen Acts, unabhängig von Musikrichtung.
Die „Avantgarde“ im Heute ist zwar in der historischen Form tot, sie lebt aber in anderer Form weiter. Im Heute zeigt sie sich mit dem Gesicht der radikalen Offenheit jeglicher Musik gegenüber bei gleichzeitigem Ausschluss der Beliebigkeit.
Dazu braucht es Kriterien wir Originalität, Musikalität, Radikalität, Virtuosität, die, getrennt aus dem Umfeld der Avantgarde, nach wie vor von Bedeutung sind, wenn man ein gelungenes Festival programmieren möchte. Bei FMRiese gelingt das. Das macht dieses Festival interessant und bemerkenswert.
Titelbild: Maximilian Meergraf