Landschaft in Bewegung

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Distanz

In den meisten der gezeigten Filme wird sich der Vogelperspektive bedient. Distanz macht sichtbar, und zwar in einem doppelten Sinne: die eigene Position, als auch das Objekt, worauf Distanz genommen wird. In dem Kontext wird aufgezeigt, dass Landschaft etwas Konstruiertes bedeutet, bzw. wie der Begründer der Spaziergangswissenschaften 1979 anmerkte, sei Landschaft nicht primär in den Erscheinungen der Umwelt sichtbar, sondern in den Köpfen der Betrachtenden stellt das Betrachtete vielmehr die Projektionen der Vorstellungen dar. Landschaft und der dahinter stehende Begriff der „Natur“ bedeutet jedenfalls nicht, dass letztere nicht als schützenswert betrachtet werden soll. Die dualistische Anschauungsweise von „Natur-Kultur“ birgt die Gefahr, den Menschen als nicht involviert und nicht verantwortlich zu sehen. Vielmehr ist der Mensch immer schon in die lebendige Umwelt eingebettet, wird durch sie konstituiert und er ist es, der diese wiederum selbst reproduziert. Es versteht sich als wechselseitiges Verhältnis, das sich im Austausch befindet und eben nicht zwei getrennte Sphären darstellt.

Der Amerikanische Hyperrealismus – New Topographic Movement

Jene beiden Strömungen verstehen sich als Reaktion auf den fotografischen Blick, der zunehmends an Dominanz gewonnen hat. Dabei wird vor allem „The American Dream“ zum Inhalt der Reflexion. Der Hyperrealismus, der die malerische Verarbeitung jenes Blicks darstellt, versteht sich nicht lediglich als kopierende Instanz der Fotografie – vielmehr soll die Typik der Amerikanischen Lebensweise zum Ausdruck gebracht werden. In den Darstellungen dominieren berühmte Automarken, die fein säuberlich und aufpoliert in Szene gesetzt werden. Hingegen interessierte die „New Topographics“ – Fotografen vor allem die amerikanische Landschaft der 1970er Jahre, die übersät war von Industrieanlagen, Autos, Motels etc. Der Name bezieht sich dabei auf das griechische Wort tópos für Ort. Das Ziel war es, die bestimmten Orte und Landschaften fotografisch so einzufangen wie sie sind. Auch hier spiegelt sich der Anspruch, die Realität zu dokumentieren, wieder – die perspektivische Relativität und Konstruiertheit von Realität wird so gut wie negiert und auch, dass die Bilder an sich schon die Intentionen und Motive des Fotografen mittransportieren. Das New Topographic Movement verstand sich als Gruppe von Fotografen, die sich mit der amerikanischen Idee von Freiheit und grenzenloser Möglichkeiten kritisch auseinandersetzten.

Lewis Baltz – Nevada (1977)
Lewis Baltz – Nevada (1977)

Auswirkungen

In seiner schwarz-weiß Fotoserie Nevada (1977/78) zeigt der Künstler Lewis Baltz die destruktiven Implikationen des kapitalistischen Systems, das sich in die Landschaft einschreibt: standardisierte Fertigteilhäuser in brachen Landschaften, denen jegliche Form von Leben fehlt, umgeben von totem Gebirge. Menschen sind nicht sichtbar. Beim Betrachten dieser Bilder gerät der Glaube an den technischen Fortschritt ins Wanken. Es scheint sogar, als würde in den Fotos eine Dystopie sichtbar, die sich das Aussterben der Menschheit zum Thema macht.
Mit den Auswirkungen der ausgebeuteten Landschaften in den USA beschäftigt sich die zeitgenössische amerikanische Forschungsgemeinschaft Center for Land Use Interpretation (CLUI). Für die Darstellungen wurde ein Blick von oben gewählt, wobei die jeweiligen Landschaften während des Fluges von einer Kamera aufgenommen wurden. Jene Landscans stellen dabei hochaufgelöste Videos dar, die die Spuren des Menschen – Autobahnen, Salzseen, Ölfelder – als Form der Landschaft zeigen. Jene menschlich erzeugte Landschaft bedeutet laut CLUI eine kulturelle Einschreibung in die Natur, die viel über den Menschen an sich aussagt. In dem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem ästhetischen Wert von Landschaft. In den gezeigten Aufnahmen, die beispielsweise die weitläufigen Salzseen Ohios zeigen, werden mannigfaltige Formen und leuchtende Farben sichtbar, die stark an abstrakte Bilder erinnern.

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