Der Stellenwert des Autos in den 1970er Jahren
Der Künstler Lee Friedlander thematisiert in seinen Arbeiten eines der essentiellsten Identifikationsformen der USA der 1970er Jahre: Automarken wie Chrysler, Lincoln oder Cadillac. Friedlander wurde 1964 von Harper’s Bazaar engagiert, um die genannten Automarken zu fotografieren. Es wurde ein eigenwilliger Blick gewählt, der das Auto nur peripher in den Blick nimmt, und dieses gekonnt in die Landschaft einbaut. Der Fotograf schreibt dem Auto vielmehr eine Eigenschaft des immerwährenden Beobachters zu, das – sich zwar im Hintergrund befindend – omnipräsent erscheint. In dieser Form der Perspektive hebt der Künstler jenes Fortbewegungsmittel, das als essentielles Identifikationsmittel und als symbolischer Ausdruck einer ganzen Generation zum Ausdruck kommt, besonders hervor. Seine Auftraggeber sahen dies wohl anders, denn die Bilder wurden als zu bizarr eingestuft und nicht verwendet. Dass der Künstler mit seiner Fotoserie aber wirklichen Humor und wahrhaftes Feingefühl bewiesen hat, kann nicht geleugnet werden.
Einer anderen Automarke schenkt der Hyperrealist Don Eddy besondere Aufmerksamkeit. Er betrachtet den deutschen VW Käfer, auch „Beetle“ genannt, der den Exportschlager in den 1950er Jahren darstellt, in seiner Arbeit Untitled (Volkswagen) besonders genau. Über-genau. Bei schneller Betrachtung scheint das gemalte Bild als Fotografie, denn die Spiegelungen, Kanten, und das Spiel mit der Unschärfe sind mit einem derartigen fotografischen Blick gemalt, dass ein Unterschied kaum zu erkennen ist.
Und schließlich Ben Schonzeit, der jene Anti-Individualisierung der Amerikanischen Lebensweise an die Spitze treibt. In seinem Werk Sugar (1972) stellt er Zuckerpackungen sehr plastisch mithilfe der Airbrush-Technik dar, die keinerlei Duktus des Künstlers erkennen lässt. Auch die Größe des Bildes (244 x 305 cm) irritiert, wirkt einschüchternd und befremdlich. Das Gefühl, das diese Arbeit vermittelt, transzendiert die dargestellten Objekte. Der Künstler schafft es, ein vermeintlich simples und banales Motiv als Träger einer ganzen Lebensweise und Geisteshaltung darstellen zu lassen und dieses Gefühl im Betrachter zu evozieren.
Der Amerikanische Hyperrealismus verstand sich mehr als nur eine Kunstströmung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Dinge in der Welt detailgetreu und realistisch abzumalen. Vielmehr werden in jenem Medium Dinge sichtbar, die sich dem direkt Sichtbaren verwehren.