Einige Tage vor seinem Konzert im Treibhaus in Innsbruck postete Jochen Hampl folgende Formulierung auf seiner Facebook-Seite: „Sind wir nicht alle ein wenig weltneugierig“? Mit alle, da meinte er vor allem einmal auch sich selbst. In einem Gespräch erzählte er mir einmal, dass er sich nicht beklagen könne, schließlich hätte er die ganze Welt gesehen. Dennoch lebt er seit einigen Jahren fast ausschließlich in Tirol und ist dort auch als Berg- und Wanderführer unterwegs.
Ihm ist dabei Indien wohl genau so vertraut wie die Alm von nebenan. In seinem Solo-Programm behandelt er seine Erlebnisse auf der ganzen Welt mit dem gleichen Respekt. Die Musik, die er dazu findet, ist sowohl naheliegende als auch abwegig, sowohl schlicht als auch komplex.
Kein Wunder jedenfalls, dass er sein Programm als Solo-Programm ohne viel Firlefanz beschreibt. Denn dieses Programm ist Jochen Hampl pur. Direkt. Ohne Gimmicks und ohne zu viele Hilfsmitteln. Im Grunde reichen ihm seine Geschichten, seine Gitarre, Klangschalen und eine Trommel.
Damit fasziniert er aber. Evoziert die Orte, an denen er gewesen ist. Seine aufs erste Hinhören einfachen Lieder sind voller Anspielungen, voller musikalischer Spiegelungen seiner Erlebnisse. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Jochen Hampl in Sachen Gitarren-Spiel aus dem Vollen schöpfen kann.
Technische Einschränkungen sind ihm fremd, er spielt die Gitarre nach der Notwendigkeit des jeweiligen Songs und des jeweiligen Themas. Fragmente aus Folk, Pop, Rock und Jazz wirbeln bei ihm unprätentiös durch den Raum. Nie wird er virtuos, immer bleibt er aber fesselnd.
Jochen Hampl erzählt und trägt vor: Ein Genuss!
Diese unprätentiöse Art ist überhaupt eine der herausstechenden Eigenschaft von Jochen Hampl. Im Gespräch würde er nie betonen, dass er seit Jahrzehnten sehr viel Gitarre spielt und sich auch mit einer Vielzahl an anderen Instrumenten beschäftigt.
Er wird ganz sicher nicht damit protzen, dass er in einer Vielzahl an musikalischen Kontexten zu verorten ist und von guten Songs bis hin zu treibenden elektronischen Tracks eigentlich alles drauf hat. Er wird sich lieber still und heimlich auf die Bühne schleichen, bescheiden lächeln und einfach tun.
Dabei ist er keine Person, die einen vom ersten Ton und vom ersten Satz an gefangen nimmt. Seine Erzählungen und Lieder wirken langsam, sickern dann aber ein und klingen lange nach. Jochen Hampl beschäftigt sich viel und intensiv mit seinen Ausdrucksmitteln, unter anderem mit den Akkorden, die er auf seiner Gitarre spielt. Er hat außerdem gelernt zu reduzieren, auf das wirklich Wesentliche zu achten.
Beim genauen hinhören und hinsehen merkt man jedenfalls schnell, dass an seinem Gitarrenspiel nichts konventionell oder gar abgedroschen ist. Sein Spiel ist aufregend, interessant, innovativ. Aber es ist auch still, zurückhaltend, unprätentiös und unaufdringlich.
Hampl zwingt nicht dazu, sich mit seinem Gitarren-Spiel, seinen Texten und seinen Erzählungen zu beschäftigen. Er lädt bescheiden dazu ein, übt sich im Understatement und erwischt einen dann voll mit der nächsten Textzeile oder der nächsten brillante Idee auf der Gitarre.
Ganz nebenbei wurde ich auch noch tatsächlich „weltneugierig“. Wie wäre es 5 Wochen lang in Indien zu sein, wie wäre es, einen Guru zu treffen, der eigentlich nur meditiert und mit Tieren isst? Was würde ich tun, wenn ich plötzlich vor einer Horde Affen stehen würde? Hampl hat das alles schon mal für mich „vorerlebt“. Seine Lieder und Erzählungen sind neugierig machenden Kleinode, Fragmente und Eindrücke.
Er macht aber klar: Es sind Andeutungen. Ideen, was es sonst noch auf dieser Welt zu erleben und zu sehen gäbe. Seine Lieder und Geschichten sind unglaublich reichhaltig, aber es sind lediglich Impressionen.
Indem er seine Geschichten und Lieder eben nicht ganz ausschmückt, lässt er Raum für Interpretationen und für die eigene Imagination. Und natürlich für die Frage, ob man nicht selbst (wieder) mehr erleben sollte. Wieder mehr auf Reisen gehen. Die Gitarre wieder öfter zur Hand nehmen. Sich seinen eigenen musikalischen Reim auf die Welt da draußen machen.
Kurzum: ein inspirierender Abend! Diese Inspiration lässt sich übrigens noch einmal live im Treibhaus erleben. Am 28.04. wird er noch einmal seine Geschichten erzählen und seine Lieder vortragen. Ihr solltet ihm zuhören und erfahren, was es mit dieser „Weltneugierde“ auf sich hat. Es gibt keinen besseren als Jochen Hampl, um diese in euch zu wecken.
Es gibt auch ein schönes Video von Harry Triendl, das euch schon mal neugierig machen wird (aufgenommen am 20.04 am von mir beschriebenen Abend):
Jochen Hampl im Treibhaus: Sind wir nicht alle ein bisschen weltneugierig?
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Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.