Zwischen Fremdzuschreibung und Selbstrepräsentation schildert die Ausstellung die Geschichte von Volksgruppen, die ungeachtet ihrer weit zurückreichenden Geschichte auf dem heutigen Staatsgebiet selten als „österreichisch“ beschrieben werden. Die durch eine Kooperation von Wien Museum, Landesmuseum Burgendland, Initiative Minderheiten und dem Romano Centro zustande gekommene Ausstellung nimmt die Marginalisierung genauer in den Blick, historisiert diese und versucht, einen Schritt in Richtung ihrer Auflösung zu gehen.
Die Stigmatisierung der Roma und Sinti hat eine lange Geschichte. Es handelt sich hierbei um Vorurteile, die bereits vor der persönlichen Begegnung mit Zugehörigen jener Gruppen wirksam werden. Der Antiziganismus stellt dabei eine spezifische Form des Rassismus dar, die sich einerseits geschichtlich in der Verfolgung der Roma und Sinti niederschlug, andererseits aber noch keineswegs als überwunden betrachtet werden darf, da „Zigeuner“-Stereotype nach wie vor präsent sind und häufig mit bettelnden Menschen assoziiert werden. Von Bedeutung dabei ist, dass die Stereotype keine neutralen Urteile darstellen, im Sinne einer geistigen Ordnung, sondern um Zuschreibungen von außen, die die betroffenen Personen lediglich indirekt im Blick haben und uneinbezogen lassen. Jene willkürlichen Projektionen könnten auch keinen Bestand haben, wäre ein Einbezug der Fall. Manifest wird dieses Phänomen unter anderem in der Bezeichnung der Personen selbst. Roma und Sinti bezeichnen sich nämlich selbst nicht als „Zigeuner“. Der Name ist nichts weiter als ein auferlegtes Konstrukt, reich an negativen Implikationen.
Neuzeit und Nazi-Regime
Ob von den KuratorInnen (Andrea Härle, Cornelia Kogoj, Werner Michael Schwarz, Michael Weese, Susanne Winkler) intendiert oder nicht, ein diskursiver Bruch in der Darstellungsweise von Roma und Sinti erfolgt mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges: Die Darstellungen von Roma und Sinti von der Frühen Neuzeit bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges sind stets Fremddarstellungen; sie erfolgen stets von außen. Das trifft sowohl zu auf frühneuzeitliche Zeitungsberichte, romantisierende Gemälde wie jenes von Alois Friedrich Schönn 1859, essentialisierende Bilder von „Zigeunertypen“ ab dem 19. Jahrhundert, generalverdächtigende Polizeifotografien aus den 1930er Jahren sowie behördliche Versuche der Erfassung: Eine Beschreibung dessen, was Roma und Sinti sind, erfolgt bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges stets von Nicht-Roma und -Sinti. Erste Dokumente der Selbstrepräsentation sind die von Heiterkeit geprägten Fotografien aus den Nachkriegsjahren. Allmählich gesellen sich künstlerische Darstellungen – die Musik Harri Stojkas, die Bilder Ceija Stojkas u.a. – und Dokumente der Institutionalisierung der Roma und Sinti in Österreich, wie Vereinspublikationen dazu und bilden ein Gegengewicht zu den stigmatisierenden und romantisierenden Fremddarstellungen. Die Subalternen sprechen nun.
Bezeichnend für die Darstellungsweise der Roma und Sinti vor diesem Bruch ist das Verhältnis der jeweiligen Darstellungen zum Selbstbild der Mehrheitsgesellschaft. Besonders augenfällig wird dieses Verhältnis beim Betrachten der Amateurfotografien des Industriellen Alfred Ruhmann, der in den 1930er Jahren Roma-Siedlungen im Burgenland und in Ungarn besuchte. Zwar lässt sich bei seinen Roma-Fotografien eine gewisse Sympathie für die Dargestellten nicht leugnen, jedoch erfolgt sein Blick aus einer Perspektive, die durchaus mit kolonialistischen Darstellungsweisen eines „edlen Wilden“, der zwar durchaus interessant und in mancherlei Hinsicht bewundernswert, aber alles in allem zivilisatorisch unterlegen ist, verglichen werden kann. Kontrastiert man die Roma-Fotografien mit Ruhmanns eigenen Familienfotos verfestigt sich diese Vermutung: Eine gehütete, bürgerliche Lebenswelt steht im Gegensatz zur zivilisatorischen Rückständigkeit in den Roma Siedlungen; die Erforschung des Fremden bestätigt das Eigene: „Der Urlaub war schön, aber leben möchte‘ ich dort nicht.“
Den Gipfel der Fremdzuschreibung und eine einseitige Zuspitzung des Verhältnisses von Mehrheitsgesellschaft und Roma bzw. Sinti bildete die Vernichtung im Rahmen des Nationalsozialismus, wie der Aufbau von Romane Thana nahelegt. Vergleichsweise ausführlich wird der systematische Genozid geschildert: von der Rassisierung im Konstrukt der „Zigeuner“ über die behördliche Erfassung und die Benennung der „Zigeunerplage“, die exekutiv in der Deportation und letztendlich in der Vernichtung mündete.
In demselben Sinne wie Tatsachen über das Zeigen geschaffen werden – worauf der Fokus der Ausstellung liegt – werden Tatsachen über Sprache geschaffen. Dem linguistischen Moment kommt in Hinblick auf das Phänomen der „bettelnden Roma“ eine tragende Rolle zu.