Romane Thana. Orte der Roma und Sinti

11 Minuten Lesedauer

Diskurs – Sprache – Kriminalisierung

Sprache schafft Realität. So weit so gut. Die Art und Weise, wie über einen Sachverhalt gesprochen wird, ist keinesfalls neutral. Wertvorstellungen sind dem Gesagten inhärent. In Bezug auf die Rom-Gruppen bedeutet das so viel wie, dass die Bestärkung jener Stereotype und Idealisierungen mit Hilfe von negativen Zuschreibungen vonstattengeht. Einzelfälle werden als Repräsentationen herangezogen, um jene Idealisierungen wiederum zu bestärken. Diese Strukturen spiegeln sich auch in den verwendeten Begriffen wieder. In dem Zusammenhang drängt sich die Frage nach der political correctness und des positiven Rassismus auf. Das politisch korrekte Sprechen stellt zwar keine umfassende Strategie dar – was sie auch gar nicht beansprucht – sondern stellt ein Moment unter verschiedensten dar, jenen Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken. Es bedarf einer Reflexion über den (neu) eingeführten, korrekten Begriff und keiner blinden Um-Verwendung. Auch der positive Rassismus, der zwar eine positive Umwertung vorzunehmen versucht, sich aber derselben Stereotype bedient und wiederum in einem Wir und die Anderen verharrt, geht somit zwingend mit Anmaßung und Diskriminierung einher.
Wird beispielsweise über die Wohnsituationen gesprochen, werden häufig Begriffe wie „hausen“ oder dergleichen eingesetzt, die suggerieren, dass zumindest Mitschuld an der Situation besteht¹. Des Weiteren kommen lediglich Personen als ExpertInnen zu Wort, die ein bestimmtes politisches Interessen vertreten und etwa dafür plädieren, dass es die Landschaft von Elend zu schützen gelte – schließlich leide der Tourismus und somit die Wirtschaft darunter. Den Betroffenen wird im medialen Diskurs kein Platz gelassen, ihre Sicht darzulegen. Es wird stellvertretend für sie gesprochen, bzw. gegen sie, wobei der Polizei eine tragende Rolle zukommt: Um jenes vermeintliche „Faktum“ der Gefahr, ausgehend von jenen BettlerInnen, zu untermauern, wird an die Sphäre des kollektiven Ressentiments appelliert, um die Angst in der Bevölkerung zu schüren und die restriktiven Maßnahmen seitens der Polizei im Umkehrschluss als legitim erscheinen zu lassen. Diese Machtausübung funktioniert also doppelt: Roma und Sinti werden mit Pejorativen versehen, die die Realität vermeintlich getreu abbilden. Jene abgebildete Wirklichkeit wirkt wiederum auf das Denken der Menschen rück, die im Zuge dessen die künstlich, sprachlich-induzierte Realität reproduzieren. Das Resultat erscheint dann als Evidenz.
Setzen sich nun Metaphern und Beschreibungen lange genug durch, verschwimmen die Grenzen und bestimmte Ressentiments erhalten ihre Akzeptanz. Fakten, die mit jenen Metaphern und Bildern nicht übereinstimmen, sind zu leise, um den herrschenden Diskurs zu übertönen, bzw. um überhaupt gehört zu werden. Es gilt zu fragen, wer die Macht der Rede innehat, wer die TeilnehmerInnen am Diskurs sind und wer die Ausgeschlossenen. Betrachtet man also den Begriff der „Bettelmafia“ und dessen Gebrauch genauer, so wird deutlich, dass der Begriff für das Reinwaschen des Gewissens dienlich gemacht wird, indem Roma und Sinti nämlich nicht als Personen dargestellt werden, die unterhalb der Armutsgrenze ihr Leben bewältigen müssen, sondern kriminalisiert werden. Armut wird  in ihr Gegenteil verkehrt: Armut als Tarnmantel zur eigenen Bereicherung. Der Grad der Darstellungsweise könnte nicht abstruser sein; es stellt ein Ablenkungsverfahren zu den sich aufdrängenden Handlungssetzungen dar. Die banale Verkehrung in ihr Gegenteil könnte diese „Strategie“ zu erkennen geben.
Sobald die Bilder also tief genug die Köpfe durchdrungen haben, dient jegliches Material, seien es Fotos, Interviews mit AnreinerInnen etc. als Mittel zur Bestärkung. Fotos, die zu sehen sind, schaffen ein Bild, das bettelnde Personen als Bedrohung darstellen. Die betroffenen Personen werden ihrer Identität und ihres Personenstatus beraubt, was sie als nicht mehr schützenswert erachten lässt. Jegliche Aspekte, die ihnen einen Personenstatus zuschreiben würden, werden negiert: Der rechtliche Status wird aberkannt, ihrer Rede und Sprache kein Gehör geschenkt, ihre Geschichte bleibt unerzählt. Kurz: Es wird Platz für willkürliche, negative Zuschreibungen geschaffen.
Nicht zuletzt jene Mechanismen, die auf mehreren Ebenen wirksam sind, sind ausschlaggebend für die negativen Ressentiments bis hin zu dem Hass, der in unterschiedlichen Formen laufend seinen Ausdruck findet.
¹vgl. Begleitbuch zur Ausstellung (2015): Romane Thana. Orte der Roma und Sinti. Wien: Romano Centro und Czernin Verlag.

Mitarbeit am Text: Julian Niederhauser