Artikel-Fortsetzung
Nach dem Toy-Piano Abenteuer ging es also schnellen Schrittes in Richtung Treibhaus. Dort empfing uns Markus Koschuh zum gemeinsamen „HYPOVENTILIEREN„. Zur Premiere seines neuen Programms waren viele bekannte Gesichter erschienen. Vor allem rote. Politisch Rote. Während wir uns ein Getränk bestellen, lasse ich mir erzählen, dass es früher vor allem Mitglieder der Grünen waren, die zu Markus Koschuhs Kabarett-Auftritten kamen. Die Farben ändern sich. Nicht nur in Landtagen und auf den Stimmungsringen, sondern eben auch im Kabarett-Publikum. Ich muss an diesem Abend zum ersten Mal grinsen.
Von der letzten Reihe aus, haben wir einen wunderbaren Blick auf Bühne und Publikum. Alles fest im Griff. Der Künstler betritt die Bühne. Er legt los. Und wie. Ohne große Umschweife, ohne großes Vorspiel, ohne lange um den heißen Brei herumzureden, ohne zu Beschönigen, ohne Einzulullen, ohne Einzuschläfern spricht er, singt er, gestikuliert er über jene die selten ohne große Umschweife, lange um den heißen Brei herumreden, alles Beschönigen, Einlullen und versuchen uns Einzuschläfern. Mein erster herzhafter Lacher paart sich mit einem beeindruckten Gesichtsausdruck, als Markus Koschuh in die Figur, die Stimme und Gestik von Marcel Reich-Ranicki schlüpft und minutenlang, ohne aus der Rolle zu fallen, das schwarz-grüne Koalitionspapier in seine Einzelteile zerlegt, bis es am Ende sein wahres Wesen offenbart und zum schwarzen Loch im grünen Mäntelchen wird.
Ich kenne Markus Koschuh schon länger und habe ihn immer schon still und heimlich für seine oft feinen, oft spitzen, oft scharfen Sprachkonstruktionen, Verdrehungen und pointierten Texte bewundert. Auf der Bühne sehe ich ihn zum ersten Mal. So richtig konnte ich ihn mir in dieser Rolle nie vorstellen. Umso erstaunter war ich wie vielseitig er dort agiert. Mal zitiert er. Mal singt er. Mal telefoniert er in perfektem Wallisch-tirolensisch. Mal glänzt er als als bissig enthusiastischer Moderator einer Partie Postenschach. Doch so richtig zum Lachen komme ich nur in wenigen Momenten. Das liegt jedoch weniger an der Darstellung oder am falschen Timing des Künstlers. Viel mehr schockieren mich die Details und Informationen über politische Abläufe im heiligen Land, die Markus Koschuh in aller Direktheit aus Protokollen zitiert. Ich denke viel, schüttle den Kopf, ärgere mich, kann es kaum glauben. All das lähmt meine Lust laut aufzulachen.
Während in Hälfte eins, vor allem die schauspielerische Darstellung und die sprachlichen Finessen von Markus Koschuh, über den Schock hinweghelfen und einige Lacher ermöglichen, bleiben diese, vor allem gegen Ende des Programms, komplett aus. Der Künstler beweist jedoch einmal mehr sein politisches Verständnis und sein Talent – dort nach Informationen zu suchen und zu präsentieren, wo es weh tut. In den zwei Stunden enthüllt er zwar keine großen Geheimnisse, doch präsentiert er harte Fakten in einer solchen Intensität und Dichte, dass sie fast surreal, fast absurd, fast frei erfunden wirken. Auch wenn das Programm mir persönlich keine Bauchmuskelzerrung beschert hat, so nimmt Markus Koschuh auch diesesmal wieder eine – seine wichtige Rolle ein. Ohne belehrenden Unterton, ohne erhobenen Zeigefinger, ohne wissenschaftliche Attitüde, deckt er auf, zeigt er auf und tut dies in einer Sprache die direkt vom Hirn in den Magen fährt.
„HYPOVENTILIEREN“ ist mit Sicherheit kein Programm für die große Masse. Dafür mutet der Künstler seinem Publikum zu viel Vorwissen über politische Geschehnisse zu. Doch für Menschen die sich für politische Entscheidungen in ihrem direkten Umfeld interessieren – hat Markus Koschuh ein schwarz-grün-blau-rotes Potpourri der Absurditäten und Skurrilitäten zusammengestellt. Ich rate jedem – an einer der drei letzten Vorstellungen teilzuhaben. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Aber Achtung: Der Inhalt könnte Sie schockieren!
P.S.: Warum Markus Koschuh auf der Bühne Schwarz-Blau getragen hat, bleibt mir bis heute ein Rätsel. Ein leiser hinweis auf sein Programm 2020?
P.P.S.: (Zusatz am 17.06., um 16:38 Uhr) Ich habe mir im Übrigen soeben erzählen lassen, dass sich nach der Premiere, in Hälfte zwei des Programms, noch etwas getan hat. Kürzer. Straffer. Massenkompatibler. Aber (noch) nicht mariobarthesk – soll es nun sein. Staunen und Lachen sollen sich die Klinke in die Hand geben. Traue niemandem – habe ich bei HYPOVENTILIEREN gelernt. Deshalb werde ich mich fast noch einmal in die letzte Reihe setzen müssen. Sicher ist sicher.
Artikelbild: Markus Koschuh Kozuh Facebook