Klein, leise aber bildmächtig präsentiert sich auch die Wanderausstellung der Niederösterreich-Gesellschaft für Kunst und Kultur, die in unterschiedlichen Stationen in Österreich und nun auch im Fotoforum in Bozen gezeigt wird. Kuratiert wurde die Schau von Peter Weiermair.
Was ganz grundsätzlich ist, die Schau konzentriert sich auf das fotografische Bildthema des Stilllebens. Und das ist in der Gegenwart sehr weit gefasst und gar nicht so still, wie angenommen, so Kurator Peter Weiermair. Immerhin vereint er in der Schau 40 Zeitgenossen, die allesamt versuchten, einen vermeintlichen stillen Moment des Lebens einzufangen. Es ergeben sich daraus Arrangements, die weitaus mehr zeigen als Früchte, Gläser und Blumen.
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Auch Müll (in der Arbeit von Robert Zahornicky) oder Verfaulendes (in einer fast erotischen Geste mit beiden Händen von Michael Ziegler präsentiert) wird zum fotografischen Motiv, denn das Stillleben der zeitgenössischen Fotografie reduziert sich, das wird in der Durchsicht der Ausstellung klar, keineswegs wie noch die Vorgänger aus der holländischen Malerei auf Früchte, Blumen und Insekten. Ab dem 17. Jahrhundert fanden die gemalten, oftmals surrealen Motive, auf denen das Bildthema heute fußt, Einzug in die Kunstgeschichte. Doch auch schon zur damaligen Zeit war das Stillleben niemals brav und unschuldig – man spielte etwa mit der Wirklichkeit, so zeigten viele der üppigen Blumenvasen durchaus Blumen, die so gar nicht zur selben Zeit blühen konnten oder öffneten den Blick für alles was dazwischen noch kribbelt und krabbelt, tot oder lebendig. Hier stellt sich der Maler über die Wirklichkeit und verleiht der Kunst fast übermenschliche Qualitäten. Und was macht die zeitgenössische Fotografie daraus? Sie übernimmt malerische Komponenten und wagt Ausblick auf scheinbar Alltägliches. Angelika Krinzinger zeigt die Vereinigung der Fotografie und der Malerei mit Augenzwinkern, indem sie ein Detail eines gemalten Bildes zur Stillleben-Fotografie umsetzt.
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Die Fotografien in Bozen öffnen sich natürlich auch wie in klassischen Malereien dem Melancholischem, spielen mit Fragilität und Vergänglichkeit. Dieses Vanitas-Motiv wird in einigen Arbeiten der Ausstellung auch konkret mit dem Tod, etwa einem toten Vogel aufgegriffen, der durchaus eine besondere Art der Schönheit zulässt. Einige der Fotografien zeigen auch Menschliches und bringen eine durchaus sinnliche Komponente mit ins Bildthema. So wird auch der Körper, der – auch verletzte – Akt etwa bei Shen Wei zum Stillleben.
Die Stillleben aus der unmittelbaren Gegenwart nehmen nun ganz alltägliche Objekte auf und präsentieren Zufall (bei Peter Loewy) neben Arrangement (so etwa bei Rolf Koppel oder Robert Kozma). Dieses passiert keineswegs nur achtsam, so spielen manche der Arbeiten auch mit anderen Assoziationen. Was in klassischen Stillleben das fragile Glas ist, wird etwa bei Brigitte Niedermaier zum lustvollen Objekt. Oder bei Branko Lenart bekommt die Arbeit durch die Einbindung eines Porträt von Tito in ein Alltagssujet eine zeitgeschichtliche Note. Die Ausstellung zeigt im Überblick: Der Vielfalt sind keine Grenzen gesetzt. Sie feiert die Schönheit der Alltäglichkeit und sucht nach dem schönen Übersehenem.
Aber was soll das ganze Gerede in dieser „stillen“ Ausstellung? Lasst lieber die Bilder auf euch wirken und genießt die Ausgewogenheit von Stille und Knalleffekten, die dem Leben so nahe sind. Wie schon „It´s oh so quiet“ von Betty Hutton (oder Björk) verrät, auch die Stille ist vergänglich. “Til it´s over and then – it´s nice and quiet – but soon again – starts another big riot.” SHHH…
Ausstellungsansicht Credits: Claudia Corrent; Bilder Siydeshow: Giovanni Castell, "Aporie 35", 2013 Diasec Fine Art Print, 40 x 30 cm © Galleria Alessandro Casciaro, Bozen /Marilù Eustachio, "O. T.", undatiert Gelatin Silber Print, 17,5 x 25,5 cm /Bill Jacobson, "Place (Series) #1034", 2013 Pigment Print auf Epson Ultrasmooth Papier, montiert auf Museumsplatte, 71 x 56 cm /Rolf Koppel, "O. T.", 1995 Gelatin Silber Print, 42,8 x 35,4 cm /Robert Kozma, "apple, cut paper, bottles", Druck 2012, Negativ 2007 Palladium/Platinum Druck auf Bienfang #360, 29 x 24 cm /Peter Loewy, aus der Serie "Götterspeise" bzw. "Ambrosia", 1996 Gelatin Silber Print, 30 x 45 cm /Brigitte Niedermair, "do we need all this", 2006 C-Print, 46 x 60 cm /Agnes Prammer, "After the ruins", Wien, 2012 C-Print von Kollodium Nassplatten Scan, 25,5 x 36,5 cm (kaschiert auf Alu in Objektrahmen) /Anja Ronacher, "Porcelain Jar, Tang Dynasty, 618-907 A.D.", Luoyang Museum, 2012 Gelatin Silber Print, 39 x 31 cm /Shen Wei, "Self-portrait (Burn)", 2012 Lambda Print, 50,5 x 76 cm
Titelbild: SHEN WEI, “SELF-PORTRAIT (BURN)”, 2012