„Sorry, where´s the golden dachl?“, „Mi scusi, ma ´sto tetto dorato, il Goldenes Dackl, dove è?“ „Ähm, tschuldigung, hier…Goldenes Dachl, wo liegt das?“ Augenrümpfend und naseverdrehend erkläre ich auf dem Weg zur Arbeit zum gefühlt tausendsten Mal dreisprachig, dass man in der Altstadt eigentlich nur manchmal den Kopf heben muss, damit man das golden Glänzende auch wahrnimmt. Und dann sehen sie es von Weitem, das güldene Aushängeschild Innsbrucks. So mancher wird sich das ja etwas pompöser vorgestellt haben, sagen auch die enttäuschten Augen der Touristen nach 2 Minuten intensiver Ausforschung der 2.657 vergoldeten Kupferschindeln. Aber es gibt ja in Innsbruck noch die Berge und so…
FAIL! Was so mancher vergisst (oder nie wusste): Innsbruck hat so viele kleine, bescheidene und doch großartige Sehenswürdigkeiten zu bieten. Natürlich sind die manchmal abseits der Touristenwege oder gerade mittendrinn aber nicht als solche erkannt – frei nach dem Motto: „Ist das Kunst oder kann das weg?“
Diesem Umstand oder besser Missstand möchte ich mich im Namen der unbeachteten Kunstwerke im öffentlichen Innsbrucker Raum widmen und damit die Reihe „Asideseeing Innsbruck“ begründen. Erneut muss ich die Rolle der Weltverbesserin einnehmen und das ist auch gut so. Denn wäre ich ein roter Sightseeing-Bus, dann würde ich ganz andere Stationen anfahren; auf der Suche nach neuen Abenteuern und einer Neuinterpretation von „sehenswürdig“.
Station Nr. 1:
Um gleich mit dem Vorurteil zu brechen, man kenne in der Altstadt bereits alle wichtigen Sehenswürdigkeiten, möchte ich den Kunstmarathon mitten in der City am Sparkassenplatz mit dem inzwischen wohl beliebtesten Fotomotiv Innsbrucks starten. Wer hier nicht schon mal Funny Passed Out Drunk Shaming Pics gemacht hat, der werfe bitte das erste Smartphone! Es waren alle schon mal hier am leuchtenden Catwalk Innsbrucks am Durchgang von Maria-Theresienstraße zum Sparkassenplatz, der (und das fällt nur ganz fleißig trinkenden Selfieliebhabern auf) auch immer wieder mal die Farbe wechselt. Denn die bunten Blinker ziehen Feierlustige an, wie Motten das Licht. So bunt. So schön.
Fern von schicken Pics ist die Arbeit aber auch wirklich interessant, eigentlich weniger der Punkte wegen, sondern vielmehr aufgrund des Lichtes, in das der öffentliche Raum eingetaucht wird. Der Künstler Peter Sandbichler (ein feiner Tiroler) hat sich mit in der Medienkunst mit dieser Veränderung der Umgebung beschäftigt und war mit ähnlichen Konzepten schon im österreichischen Pavillon auf der Biennale in Venedig vertreten, vor fast genau 20 Jahren, 1995.
Hättet ihr es geahnt?
Vielmehr als ein leuchtender Durchgang wird für Peter Sandpichler der Ort zur konzeptuellen Lichtinstallation, zum schimmernden Kaleidoskop, das die exakte geografische Lage Innsbrucks und natürlichen Verhältnisse aufnimmt; somit erklärt sich auch der Titel 47,16° Nord. Vereinfacht erklärt arbeitet er in zwei Farben, wobei eine für den Taganteil und andere für den Nachtanteil des jeweiligen Tages steht. Per Zufallsprinzip wird dieses Verhältnis über farbiges Licht ausgelotet. Und das wechselt zwei Mal täglich. Der Künstler setzt uns unseren Tagesablauf als leuchtendes Bild vor und man kann sich vorstellen, wie sich die bewegte Lichtzeichnung langsam über Wochen, ja übers Jahr hin verändert.
Klingt schon mal ganz anderes als simple, leuchtende Punkte, ja ist im Grunde eine Arbeit mit dem Schuss warmer Poesie, der gerade Lichtinstallationen oft zugrunde liegt. Neben der sensiblen Poetik in der Bespielung des öffentlichen Raums, ist Licht aber immer auch Auffallen, Herausheben, Beleuchtung, ein Spotlight; und zieht, wie gesagt, Menschen an – gleich wie Motten. Das Werk ist zudem gerade nachts einfacher zu finden, als etwa das goldene Dachl. Man folge einfach dem Licht.
Das Fazit
Braucht man die Hintergrundinformation zur kunstvoll beleuchteten Arkade am Sparkassenplatz überhaupt? Fürs schicke Foto vielleicht nicht. Für eine Welterklärerin wie mich, den interessierten Innsbrucker und den Hipstertouristen definitiv!
***Alternative Leser sind auch für die nächste Station von „Asideseeing Innsbruck“ gefragt: Es geht definitiv Richtung Natur und Frühling. Bleibt gespannt und sucht nach dem ungewöhnlich Sehenswürdigen!***