Innsbruck ist seit geraumer Zeit noch reicher. Mitten im Zeitalter der Onlineisierung trauen sich zwei mutige Menschen an das scheinbar Undenkbare – sie starten ein analoges Kulturevent.
Boris Sebastian Schön und Johannes Felder heißen die beiden Herren, die im „Circa-sechs-Wochen-Rhythmus“ Kulturschaffende zum Gespräch bitten. Die Plauderei dauert circa 60 Minuten, nennt sich „Schönfelder Kulturstunde“ und findet im Cafe Moustache statt. Ende Februar hatten die beiden (relativ) jungen Talkmaster, zwei ältere Herren zu Gast. Die Tiroler Literatur Kapazunder: Elias Schneitter und Helmuth Schönauer. Ein Abend voller Anekdoten, Witz und einer ordentlichen Portion pessimistischem Realismus.
Die Gäste
Zwei alte Hasen. Zwei Self-made-Literaten. Unkonventionell, ehrlich, direkt und unterhaltsam. Beide verbindet eine langjährige Freundschaft. Immerhin haben sie sich schon als Kinder kennengelernt. Das war damals bei der Gebietskrankenkasse – dem Arbeitgeber ihrer Eltern.
Der Eine (Elias Schneitter) – literarisch extrem spannend. Die Wurzeln seiner Leidenschaft führen nach San Franciso und generell in die USA, direkt zur Beatliteratur. Die hat ihn so begeistert, dass er, obwohl seine Deutschlehrer das anders prophezeit hatten, selbst zu Schreiben begann. Sein Metier: Zirl. „Einfache“ Leute, „einfache“ Geschichten, echtes Leben. Als Mann ohne Hang zur Selbstdarstellung erzählte er aber lieber über die tollen Autoren mit denen er, in seiner Tätigkeit als Verleger, zusammenarbeiten durfte und über das von ihm mitbegründete Literaturfestival Sprachsalz.
Der Andere (Helmuth Schönauer) – ein Chronist Provokateur vor dem Herren. Nachdem ihm die Meister (Professoren der Germanistik) nach sechs Wochen Studium nichts mehr beibringen konnten, startete er seine Karriere, dann doch unverhofft. Als fahrender Bibliothekar lernte er die hintersten Dörfer Tirols und deren Bewohner kennen. Er chauffierte Bücher von Dorf-Bib, zu Dorf-Bib und verfasste an die 6.000 Rezensionen. Kaum jemand, eigentlich gar niemand, kennt Tirols Literatur besser als er. Jedes Buch (derzeit – zum Speiben viele – Krimis mit russischen Protagonisten) das in Tirol veröffentlicht wird, geht durch seine Hände. Seine kabarettistische Art zu erzählen – ein Highlight des Abends!
Die Themen
Das Leben als Schriftsteller. Wie wird man das? Wie geht es einem dabei? Die Motivation dahinter? Die Biographien der Akteure. Das Leben als Verleger. Das Leben als Bibliothekar. Wie gut geht es der Tiroler Literaturszene? Was wünscht man sich in der Zukunft? Wie heilt man die Krimitis? Was ist der Felixismus? Warum ist es wichtig auch analog zu denken und analog Kultur zu schaffen. Überleben in der Kunst. Ein bunter Mix aus Einschätzungen, Erfahrungen und Erinnerungen.
Das Publikum
Bunt gemischt. Und zwar wirklich. Schönauer- und Schneitter-Groupies, ebenso wie interessierte Studenten, Journalisten, Kaffee-Liebhaber, Bücherwürmer, leidenschaftliche Diskutanten und Co. Viele Fragen (für jede gab es als kleines Geschenk ein Buch von Elias Schneitter) während der Kulturstunde. Angeregte Gespräche vorher und nachher. Sehr angenehm. Kollegial. Locker. Lässig.
Lohnt sich das?
Ich schließe mit Worten, die – unter schallendem Gelächter – auf der Bühne gesagt wurden: „Man kann noch so lange Cyber-Wichsen. Die letzten dreißig Zentimeter, muss du dennoch analog fertig machen!“ Anwesend sein, lohnt sich also immer!
Nr. 3 – coming soonDie nächste Ausgabe von „Schönfelder Kulturstunde“ findet in circa sechs Wochen statt. Als stolzer Medienpartner dieser Kultur-Talk-Bühne, präsentieren wir euch den genauen Termin natürlich rechtzeitig hier am ALPENFEUILLETON. |