Hohenems ist, seien wir uns ehrlich, ein ziemliches Kaff. In der selben Größenordnung wie Eisenstadt, Telfs oder Braunau, seit der letzten Gemeinderatswahl auch noch in fester FPÖ-Hand, mit einem Fuß schon in der Schweiz – da möchte man zunächst lieber einen Bogen drum herum machen.
Kosmopolitisch oder traditionell? Am besten beides!
Hohenems ist aber viel mehr als das. Manchmal findet sich nämlich an den unwahrscheinlichsten Orten ein ganz spezieller Kosmpolitismus, der von Kriterien wie den oben genannten ganz einfach unberührt bleibt. Denn wofür steht das Vorarlberger Städtchen sonst noch?
Richtig, für eine der wichtigsten Schubertiaden in Europa, für eine historisch bedeutsame Schlossbibliothek und ihre alten Handschriften, für eines der interessantesten Jüdischen Museen im deutschsprachigen Raum.
Außerdem ist Hohenems aber eine Stadt, die eine inhaltliche Brücke zwischen einer spannenden und reichen (wenn auch nicht immer schönen) Geschichte und einer nicht weniger spannenden und nicht unbedingt schöneren Gegenwart zu schlagen gewagt hat. Und insbesondere dafür steht die Emsiana , ein junges, ambitioniertes Kulturereignis, das dieses Wochenende (vom 19. bis zum 22. Mai) zum achten Mal stattfindet.
Was die Emsiana nämlich dem Selbstbild nach sein möchte, deutet von einem überaus interessanten Konzept: Sie ist nämlich zuallererst ein „Kulturfest“, und damit eine Zeit der Begegnung für die unterschiedlichsten Menschen, mit einem vielfältigen und trotzdem stimmigen Programm, mit viel Traditionsbewusstsein und noch mehr Weltoffenheit.
Ein Kulturfest also! Und was für ein wunderbar gewählter Begriff ist das: Kein abgehobenes, verkopftes, selbstbezogenes „Kulturfestival“, aber auch kein joviales Volksfest ohne Vision und Anspruch. Es wird gefeiert, und zwar gemeinsam – der Versuch einer Stadt, sich auf ihre Identität zu besinnen und diese zugleich offen zu halten. Da zeigen sich sowohl die Überreste einer mittelalterlichen (im besten Sinne des Wortes) Mentalität, wie es sie manchmal noch in sehr geschichtsträchtigen Orten gibt, als auch eine große Reflexionsbereitschaft und Modernität (auch die im besten Wortsinn).
Und wenn der eine oder andere Programmpunkt politisch anmutet (etwa die „Fluchtgespräche“ am Sonntag, die aus einem Projekt der hiesigen HAS entstanden ist), dann nicht aus einer irgendwie gearteten Selbstgerechtigkeit heraus, sondern weil Migrationsgeschichten und der uralte Pluralismus in all seiner Problematik einfach einen Teil der Stadtidentität ausmachen.
Ein Fest für alle
Hohenems ist ein „streitbare Stadt“, wie Veranstalter Markus Schadenbauer-Lacha im Gespräch meint – und die Emsiana ist vielleicht nicht zuletzt der Versuch, miteinander etwas Großes aufzustellen, das alle Gespaltenheit und Widersprüche auch aushalten kann.
Genau dieses „Brückenbewusstsein“ spiegelt sich auch in der anspruchsvollen und spannungsreichen Programmierung. Da findet sich Traditionelles und Experimentelles, mehrere Popkonzerte, aber auch Konzert des hiesigen Männergesangsvereins, eine Auswahl an aktueller bildender Kunst, Kulturgeschichte und Literatur – und, auch das muss erwähnt sein, einige Programmpunkte für Kinder. Ein „Fest für alle“, wie es die Emsiana sein möchte, soll natürlich auch über die Generationengrenzen hinweg funktionieren und ist deshalb (was wirklich selten vorkommt) genauso familienfreundlich wie qualitätsbewusst.
Die zahlreichen, zum größeren Teil sehr jungen und aufstrebenden KünstlerInnen, Musiker, Literaten und bildende KünstlerInnen gleichermaßen, kommen zwar aus allen möglichen Ecken der Welt, haben aber – das ist das Kriterium – entweder einen gegebenen Bezug zu Hohenems, oder suchen einen solchen herzustellen.
Wer also für dieses Wochenende noch nichts geplant hat, gelangweilte Kinder zu Hause hat oder sich selbst wie eines fühlt, möge sich dieses Fest der Kunst und der Kultur nicht entgehen lassen. So weit haben wir es von Tirol aus wirklich nicht (sogar ein Tagesausflug lohnt sich), und für die allermeisten Veranstaltungen sind auch vor Ort noch Karten erhältlich.
Besondere Veranstaltungstipps
Dieses Jahr wartet die Emsiana vor allem mit einer Reihe an Konzerten von Ausnahmekünstlern auf, die man in Mitteleuropa sonst nur selten zu sehen bekommt. Darunter etwa:
– Das Yamma Ensemble (Fr., 20.05. im Salomon-Sulzer Saal) aus Tel Aviv, das mit seiner israelischen Identität etwas Ähnliches macht wie Hohenems mit seiner vorarlbergischen. Tags darauf übrigens im Treibhaus zu sehen!
– Emaline Delapaix (Fr, 20.05 im Visionscafé), eine Berliner Australierin, die emotional dichten, bitteren Folk macht, wie man ihn heute nur mehr selten hört. Die junge Dame ist am 24.05. auch in der Schwazer Eremitage zu Gast.
– Twana Rhodes (Sa, 21.05. im Salomon-Sulzer-Saal), die wunderschönen zeit- und ortlosen, sehr klavierlastigen „Deep Pop“ macht. Als Amerikanerin aus dem Comanche Territory in Oklahoma, die heute im ehemaligen Ostberlin lebt, spielt sie völlig gelassen mit allen möglichen Identitäten.
Auch die bildende Kunst darf nicht zu kurz kommen:
– Muhammat Ali Baş, ein Vorarlberger Künstler, wird am Freitagabend eine kalligrafische Straßenperformance zum Besten geben.
– Ein Highlight für alle wird Arno Egger, ein weiterer Sohn der Stadt, mit seinem Feuerwerk bringen, das er am Freitagabend auf der Brugruine am Schlossberg steigen lässt.
– Mehrere Künstler, darunter Claudia Charlotte Brandl-Lindner und Günter Bucher, spielen im öffentlichen Raum höchst spannend mit städtischen Raumkonzepten.
Zudem sind alle Museen der Stadt involviert und einige bieten im Laufe des Kulturfestes Führungen und Veranstaltungen an, allen voran natürlich das Jüdische Museum, aber auch das Mühlen- und das Alte Zeiten Museum.
Und wenn man vor Ort ist, darf man sich natürlich auch nicht die Lesung unseres geschätzten AFEU-Chefredaktuers Felix Kozubek entgehen lassen, der am Sonntag Nachmittag (Literatur um fünf – 17.00 im Visionscafé) bei Kaffee und Kuchen eine Auswahl an journalistischen und literarischen Texten zum Besten geben wird!
Titelbild: (c) Wikipedia