Ein Pot­pour­ri der Alpträume

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In letzter Zeit träume ich häufig und unruhig. Einen der seltsamsten Träume habe ich kürzlich in einem Text festgehalten. Auch die Traumsequenzen, die ich heute für euch bereithalte und verschriftlicht habe, geben mir Rätsel auf.


Traumsequenz #1


Der Kunst-Traum. Ich treffe einen Künstler. Was genau er macht und worin seine Kunst besteht weiß ich nicht. Er erzählt mir, dass Träume zwar schön und wichtig seien, aber es letztlich darum gehe, Traum und Realität ineinander überfließen zu lassen.
Mein Einwand folgt prompt und geht in die Richtung, dass man ja wohl bitte zwischen Realität und Wirklichkeit unterscheiden müsse. Wir hätten uns ja wohl darauf zu verständigen, dass einer dieser Begriffe mit dem „Ding-an-Sich“ zu tun hätte. Der andere wiederum würde zeigen, dass wir halt nur subjektiv auf die Welt zugehen können und wir somit gar nicht wissen, was denn diese Realität überhaupt sei, weil wir sie nur eingeschränkt wahrnehmen.
Er beginnt zu lachen und meint, dass das ja ohnehin alles in der Musik und in der Kunst verhandelt werde. Er beginnt zu singen. Sein Gesang ist schön, aber wenig betörend. Ich bin immer noch bei dem Gedanken hängengeblieben, dass da gerade die Funktion des Traumes im Traum verhandelt wurde und mehr Meta-Ebene nun wirklich nicht mehr ginge. Ich wache auf und habe das Lied „I put a spell on you“ im Kopf. Leider nicht in der Version von Bryan Ferry, sondern in der Version von Marilyn Manson.


Traumsequenz #2


Der Tirol Traum. Ich bin zuhause. Obwohl ich liebend gerne anderswo wäre. Das Fernweh ist kaum auszuhalten. Von der Ferne her höre ich Musik. Ich verlasse meine Wohnung, folge der Musik. Ich komme zu einem Zelt.
Auf der Bühne im Inneren des Zeltes stehen zahllose Musikerinnen und Musiker. Die meisten Gesichter kenne ich. Ich bin mir so gut wie sicher, dass ich jedes einzelne schon in anderen Kontexten gesehen habe. Fast alle dieser Musikerinnen und Musiker habe ich schon einmal oder mehrmals live gehört.
Die Situation erscheint mir paradox. Das Fernweh und die Musik von der Ferne hatten mich aus meinen eigenen vier Wänden gelockt. Das Zelt versprach eine Art von „Exotik“, eine wohltuende „Andersartigkeit“.
Eine mir unbekannte Person kommt auf mich zu und sagt, dass es schon erstaunlich sei, welche guten Musikerinnen und Musiker wir hier in Tirol hätten. Ich stimme zu. Mit einem wenig euphorischen Nicken. Man müsse halt nur genauer hinschauen, meint er. Ich antworte, dass sich ja auch das Eigene quasi als „Fremdes“ und Neuartiges begreifen ließe, wenn man es nur neu und kreativ interpretiere.
Ich wache auf und habe „Dem Land die Tirol die Treue“ im Kopf, in der Interpretation von „Jütz“.


Traumsequenz #3


Der Niedlichkeits-Traum. Der dystopische Traum. Ich sitze in einer nicht näher bestimmten und bestimmbaren Konzert-Location. Alles ist niedlich, bunt, kindgerecht. Womöglich auch kreativ und kreativitätsfördernd. Um mich herum sitzen jedoch keine Kinder, sondern erwachsene Menschen.
Die Situation wirkt wie eine Mischung aus pädagogischer Belehrung und Konzert. Am Spielplan steht klassische Musik, häppchenweise serviert und mit humoristischen Einlagen unterfüttert.
Das Publikum ist begeistert, johlt und klatscht.
Es ist der kürzeste Traum. Schnell wache ich auf und summe leise „Eine kleine Nachtmusik“.


Traumsequenz #4


Der Geschicklichkeits-Traum. Der abwegige Traum. In diesem bin ich unendlich geschickt und artistisch begabt. Ich jongliere auf einer Bühne und werde von gut 200 interessierten Zuschauerinnen und Zuschauern begeistert beobachtet.
Es dauert nicht lange und es meldet sich mein eigentliches, hochgradig ungeschicktes Ich wieder zurück. Die Show platzt, alles fällt zu Boden.
Ich gehe dazu über das Publikum zu beschimpfen. Es darauf hinzuweisen, dass die artistische Dimension der Kunst nicht zentral sei. Es ginge vielmehr um Substanz und nicht um Show. Ich werfe ihm vor, dass es nur auf Sensationen aus sei und sich nicht wirklich mit dem Wesen von Kunst beschäftigen wolle.
Ich wache auf. Kein Lied in meinem Kopf. Totenstille.


Fazit


Wer mir bei der Deutung dieser skurrilen Träume helfen mag, ist herzlich eingeladen das zu tun. Als Ort der Traumdeutung würde ich das „Spiegelzelt“ beim Landestheater in Innsbruck vorschlagen, in dem derzeit bekanntlich das „Festival der Träume“ stattfindet.

Titelbild: (c) Leidenschaft Musik 2016 Facebook

Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.

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