Neu ist das Konzept freilich nicht. Immer wieder stöbern Museen mit unterschiedlichsten Schwerpunkten in den eigenen Depots und fördern ihre schönsten Kuriositäten zutage. Das MAK in Wien hat das ausprobiert, kürzlich auch das Jüdische Museum Hohenems. Der Vorteil: Man kann problemlos Exponate ausstellen, die an sich gar keinen besonderen Wert haben. Man muss nur eine Geschichte dazu erzählen können. Und Geschichten interessieren.
Ein gehobenes Kuriositätenkabinett
Auch das Ferdinandeum zeigt momentan ein breites Sammelsurium an Schönem und weniger Schönem, an archäologischen Fundstücken, antiken Instrumenten und zeitgenössischen Skulpturen. Dazwischen findet sich ein gotischer Flügelaltar, nicht unweit davon eine eher kryptische Installation aus Autorücklichtern mit dem Titel „Kapelle“.
Irgendwo streckt ein Egger-Lienz ein Eck hervor, und kitschige Heimatbilder zeigen sich in all ihrer Pracht. Neben einer kleinen Demonstration dessen, was sich in einem Depot so an Skurrilitäten ansammelt geht es – nicht uninteressant – auch um die richtige Lagerung von Gemälden und Installationen. Viele Ausstellungsstücke sind mit Karton umwickelt und zugeschnürt, zum Teil auch noch in Holzkisten verpackt. Soll die Ausstellung damit auch selbst ein wenig Kunstwerk sein? Interessante Kombinationen haben sich jedenfalls schon ergeben.
Als kleiner Anreiz ist die Ausstellung dann auch noch ein wenig demokratisch gestaltet: Jeder Besucher bekommt drei Papiermedaillen mit, die er seinen Lieblingsstücken vergeben kann. Und da geht es natürlich nicht um den objektiven Wert, sondern einfach darum, was am besten gefällt.
Kunst noch demokratischer
An dieser Stelle ergibt sich aber die Frage: Warum nicht noch demokratischer? Warum die Türen nicht noch weiter auf? Warum nicht das Depot selbst zum Ausstellungsraum machen? Neben der recht gelungenen Porträtausstellung („Nur Gesichter?“) und der recht vielversprechenden (?) Paul Flora-Ausstellung, die Ende des Monats eröffnet, scheint auch „Raus mit der Kunst“ eine gewisse Abwendung vom militärhistorischen Schwerpunkt der Ferdinandeums zu signalisieren, und die langsame Ankunft im 21. Jahrhundert.
Die Ausstellung ist eine kleine Kostprobe, aber als Steuerzahler, die das Gros der Kunstankäufe des Landes Tirol finanzieren, würden wir uns vielleicht noch ein bisschen mehr Einblick wünschen. Nicht nur in den faktischen Bestand, sondern auch in die Werkstätten, die Arbeit der Restauratoren und Handwerker.
Davon, dass der Durchschnittsbürger seinen Bezug zur Kunst nicht vollends aufgibt, sondern vielleicht eher vertieft und neu erfindet, hängt vielleicht mehr ab, als wir meinen.
„Raus mit der Kunst“ wäre eine gute Gelegenheit für das Ferdinandeum gewesen, um sich selbst ein wenig zu reflektieren. Oder um überhaupt zu einem Haus zu werden, in dem Innsbruck sich nicht einfach nur in all seiner Pracht und Geschichtsträchtigkeit darstellt, sondern sich auch ein wenig selbst reflektiert, so wie das zum Beispiel im wunderbaren Museum aan de Stroom in Antwerpen passiert. Dann wären wir wirklich im 21. Jahrhundert angelangt. Ansätze dazu gibt es ja schon…
Titelbild: (c) TLM
Als Cato-Normalverbraucher darf ich mir die Freiheit erlauben, den wieder (bekanntermaßen) qualitätvollen Susannah-Haas-Artikel um ein Weniges zu erweitern, das man in dieser Form wohl nicht publizieren wird.
Die Ausstellung, in Idee und (appetitanregender) Ankündigung durchaus lobenswert, hat meine Erwartungen nur zu einem Bruchteil erfüllt, von wegen „Millionen von Objekten werden für den Transport vorbereitet“ (s. Ferdinandeum-Homepage)! Die kleine Auswahl der Exponate wird schnuckelig, fast als fast food, serviert, könnte aber bei Weitem mehr Dokumentation, „Geschichten“ vertragen; neben einem (halb) verpackten oder aufgerollten Werk würde etwa oft bereits ein Foto, das eine Gesamtansicht bietet, genügen – oder (wenigstens) eine Notiz zu den eindrucksvollen (wohl immer noch, auch stromlos funktionierenden!) Vorläufermodellen moderner Rechenmaschinen; sehr viele Depotstücke sind andererseits nur als Fotografie präsentiert, ein „überraschender“, daher umso verwunderlicherer Dialog mit diesen ist also meist schon nach einem Satz, wenn überhaupt, erledigt.
Die Idee mit den Papiermedaillen, die stapelweise für das Besuchervoting aufliegen, gefällt jedenfalls; zu hoffen ist nur, dass die Gültigkeit der (folgenschweren) Wahl nicht bald schon von einer richterlichen Instanz aufgehoben werden wird …