Eher geht ein Chauvinist durch ein Nadelöhr…

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Einmal jährlich öffnet die p.m.k. nämlich ihre Türen einer wilden Fete, die mit Nähkränzchen so rein gar nichts mehr zu tun haben will. In der rappelvollen Bude erinnern fast nur handgemachte Stoffwimpel und die geblümten Putzkittel des Hauptacts E43 an den Anlass: Es ist die Soli-Party des Nähcafés, das für einen Abend sein aktivistisches Hauptquartier von der Defreggerstraße zu den Bögen verlegt. Das Ergebnis ist laut, fröhlich und auch ein wenig selbstironisch.


Shots gegen den Ernst


Das gilt für den Auftritt von E43, den vier Damen mit den drei Stimmen, die wohl am ehesten zur Kategorie „Heitere Feministinnen“ gehören und mit einfachen Mitteln und viel Können immer nahe am Kabarett vorbeischrammen.
Abgelöst wurden sie dann den von den Innsbrucker Pigeon Boys, die zwar recht guten Punk Rock machen, den vier Damen aber an Unterhaltungswert kaum das Wasser reichen konnten.
Selbstironisch war auch die vom Nähcafé gestiftete Tombola, in der mit gleicher Freigiebigkeit Stofferdbeeren und Shots vergeben wurden.
Vor den Damen und Herren mit Strick- und Stopfnadeln kann man sich ruhig ein wenig in Acht nehmen: Sie sind sehr leidenschaftlich unterwegs.
Das Nähcafé gibt es seit fast vier Jahren. Und es floriert. Weil es offenbar ein Bedürfnis nach Handwerk gibt, das über DIY-Handbücher und Stricken vorm Fernseher hinausgeht. Denn die Initiative sieht sich als weit mehr als ein Treff zum Schnittmuster-Austauschen. Es hat auch einen klaren gesellschaftlichen Auftrag, den es mit viel Kreativität zu erfüllen versucht.
Natürlich kann man sich einfach der Lust am Selbermachen hingeben (auch die ist nicht unpolitisch, wirkt sie doch der andauernden und schmerzhaften „Entfremdung“ entgegen) und die Nähmaschine hemmungslos rattern lassen.


Blumenranken gegen Gewalt


Das Nähcafé dreht aber auch ganz explizit politische Aktionen: Ein Höhepunkt des letzten Jahres war sicher die Kampagne zum Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, für die eine 70 Meter lange Häkelranke mit orangen Stoffblumen die Innbrücke zierte. In aufwendiger Handarbeit hergestellte Stoffplakate wiesen auf den Anlass hin. Und wenige Tage später war die Blumenranke verschwunden und ward nie mehr wieder gesehen.
Offensichtlich ein brisantes Thema. Offensichtlich brisante Arbeit, die das Nähcafé leistet.
Nun kann man natürlich fragen, was das anderes ist als die gute alte Selbstbeweihräucherung, die sicher mit zu den größten Begabungen der Alternativen gehört.
Der Unterschied liegt in Hingabe, im echten Engagement. In jeden Handwerksgegenstand investiert man auch ein wenig von sich selbst. Man sitzt nicht am Spielfeldrand und brüllt den anderen zu, was sie alles falsch machen. Man sitzt auch nicht im Elfenbeinturm und genießt den Höhenunterschied.
Man begibt sich mitten hinein in diese komplizierte Welt, stellt ihr die eigenen Fähigkeiten und die eigene Zeit zur Verfügung – und macht sich so auch verletzlich.
Man schafft etwas, vielleicht in wochenlanger Arbeit, immer auf die Gefahr hin, dass es die Welt – wie eine elendslange Blumenranke, die einfach verschwindet – nicht zu würdigen weiß. Man tut es trotzdem, immer wieder von Neuem. Und wem es jetzt in den Fingern nach Nadel und Faden juckt, der wird im Nähcafé willkommen sein.
Das Nähcafé ist an jedem Samstagnachmittag ab 14 Uhr geöffnet. Die übrigen Öffnungszeiten sind eher unregelmäßig, aber im Online-Kalender (Link: http://nadeloehr.org/kalender/) einzusehen. Dort finden sich auch Hinweise auf die gelegentlichen Workshops, die das Nadelöhr veranstaltet: Von „Sticken für die Revolution“ über „Pissoir Irritationen“ bis hin zum „Nähprojekt Hängematte“ ist für fast jeden Geschmack etwas dabei!

Titelbild: (c) FB-Seite Nähcafé

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