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Zeitverschiebung

3 Minuten Lesedauer

Oder: Wie es sich anfühlt, einen alten Text erstmals zu präsentieren.*)

Nachdem er jahrelang in der Schublade lag und immer wieder von anderen, wichtigeren, aktuelleren Publikationen überholt wurde, kommt nun, fast 10 Jahre nach seiner Fertigstellung, mein „neuer“ Roman heraus. Es fühlt sich an wie Etikettenschwindel. Nichts daran ist neu. Nicht für mich zumindest. Im Hinterkopf lauert die Angst, auch für die Lesenden könnte es so sein.

 Und trotzdem: Die Lektorin und ich sind ihn immer wieder durchgegangen und haben ihn in Betracht gezogen, wenn eine nächste Publikation anstand. Und immer noch war der Text okay. Das Thema nach wie vor aktuell, nein, dummerweise aktueller denn je. Nur dass die Zeitungsartikel zum Thema inzwischen jede literarische Erfindung, und war sie damals noch so krude, toppen. Aber die Menschen und ihre Verhaltensweisen, die ändern sich doch nie, oder? Nebensächliche Details waren anzupassen, Technisches, die von den Figuren benützten sozialen Medien ins Unbestimmte zu verwässern. Ein paar Produktnamen verraten dem Eingeweihten dennoch die Jahreszahl. Haben wir etwas Wichtiges übersehen? Haben wir mit diesen Eingriffen die Wahrhaftigkeit der Geschichte verraten?  Hoffentlich nicht. Wenigstens der Sprachjargon war ein erfundener, also eher zeitlos – Glück gehabt!

Nichts ändert sich so brutal wie die Sprache, auch wenn man das im Alltag nicht bemerkt. Jedes fünfzigjährige Buch ist noch lesbar, aber eben nur mehr historisch. Angestaubt. Schon der erste Satz verrät sich. Welcher Satz wird hier die Historie meines Manuskripts verraten?

Ich bin aufgeregt. Mehr als sonst bei einer Neuerscheinung. Denn bei einem wirklich neuen Text trägt die eigene Begeisterung für das Geschaffene noch ein stückweit, wie einem jedes Baby nach der Geburt makellos erscheint. Doch bei dieser Geschichte bin ich bereits mehr Leserin als Schreibende, mehr Besucherin als Schaffende. Die Figuren, die mich ehemals über Monate und Jahre begleiteten wie gute Bekannte, sind längst verzogen und haben anderen Platz gemacht. Sind mir fremd geworden. Es wird also ein unsicheres Wiedersehen, wie mit jahrelang verschollenen Freunden eben. Das kann beglückend sein, aber auch peinlich. Mal sehen.

*) Der Roman „Max, Moritz, Nenad“ wird diesen Mittwoch in der Buchhandlung Wiederin, Innsbruck, das Licht der Öffentlichkeit erblicken.

Geboren 1954 in Lustenau. Studium der Anglistik und Germanistik in Innsbruck Innsbruck. Lebt in Sistrans. Inzwischen pensionierte Erwachsenenbildnerin. Tätig in der Flüchtlingsbetreuung. Mitglied bei der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung Tirol, der IG Autorinnen Autoren Tirol und beim Vorarlberger AutorInnenverband. Bisher 13 Buchveröffentlichungen.

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