Der Ö1-Hörspielpreis lässt noch einmal die gute alte Zeit anklingen.
Die Republik hat gegenwärtig keinen tragfähigen Weg in die Zukunft gefunden, weshalb man sich jetzt nostalgisch auf den Weg macht ins Retro-Land.
So ist es kein Wunder, dass das Hörspiel als Kunstform wieder einmal mit beiden Ohren beiläufig zur Kenntnis genommen wird.
In den 1950er Jahren war das Hörspiel noch wer! Wenn es nicht gar die einzig erträgliche Kunstform war, um einer zusammengeschlagenen Bevölkerung Emotion, Stimmung und Zuversicht zu verpassen.
Wir saßen am einzigen Radio in der Küche und hörten hintereinander Nachrichten, Musik und Geschichten. Ich musste als Kind immer das mithören, was die Eltern am Empfänger eingestellt hatte.
Ab und zu wurde es dramatisch. Ein Krimi-Rätsel wurde gesendet, es fielen Schüsse, es wurde viel gekeucht und geschrien, und niemand wusste warum.
(In diesem Stil schreibt der Krimi-King aus Osttirol heute noch seine Netflix-Thriller.)
Dann wurde das Rätsel gelöst und Vater sagte, dass diese Hörspiele eigentlich für die Kriegsversehrten gedacht sind, die nichts mehr sehen können.
Später erfuhr ich, dass der Preis der Kriegsblinden für die damalige Zeit das Höchste war, was man als Dichter erreichen konnte.
Das Hörspiel wurde allmählich immer seltener und zu einer raren Kunstform. Es wurde zu einem puren Bildungsauftrag für die öffentlich rechtlichen Sender, die sich in der Folge Hörspielabteilungen und Symphonieorchester leisten mussten, um das Privileg einer Finanzierung durch Rundfunkgebühren zu erlangen.
Als Kunst hat sich das Hörspiel tapfer gehalten. Das hängt auch damit zusammen, dass es immer als Privileg gegolten hat, ein Hörspiel zu schreiben. Selbst Peter Handke hat trotz seiner „Impotenz-Kritik“ tapfer auf das Hörspiel gesetzt und es etwa mit seinen vier Stücken „Wind und Meer“ (1970) zu einem „rauschenden Höhepunkt“ gebracht.
Aus Tiroler Sicht ist zu vermelden, dass Martin Sailer im ORF Tirol unermüdlich über Jahrzehnte Hörspiele realisiert hat.
Sein Erfolgsrezept: Regionale Schauspiel- und Dichterlieblinge vor echtem Publikum zu einem Spiel mit echtem Pulsschlag zu animieren.
Jetzt freilich wird dieses Nischenprodukt für Nostalgiker als „reines“ Hörspiel inszeniert. Daraus haben sich aber die Genres Podcast und Poetryslam durchaus breitenwirksam entwickelt.
Im Jänner gibt es den Ö1-Hörspiel-Publikumpreis. Heuer stehen sechzehn Hörspiele zur Disposition.
Im Sinne der Nostalgie zwei Tipps:
Martin Sailer ist mit zwei Produktionen vertreten, die Autorin Monika Helfer hat drei Stücke für diese seltene Kunstform geschrieben.
Angesichts der allgemeinen Zukunftsmüdigkeit im Land besteht somit die tolle Aussicht, sich ein Stück Retro-Kultur auf Ö1 zu sichern.
[Stimmabgabe an: ORF-Hörspiel / Hugo-Portisch-Gasse1 / 1136 Wien]
STICHPUNKT 25|03, geschrieben am 08.01. 2025