I beg your pardon!

17. Feber 2015
2 mins read

Mit Grand Budapest Hotel erweitert Wes Anderson seine Reihe gelungener Filme. Dieser sticht aber noch einmal mehr heraus. Man ist geneigt zu sagen: das ist ein Meisterwerk.

Wes Andersons neuester Film ist eigentlich gar nicht mehr so neu. Schon letztes Jahr lief er in den Kinos, eröffnete die Berlinale 2014 und erfreute Kritiker. Jetzt gilt der Film als ganz heißes Eisen für die Oscarnacht am kommenden Sonntag, gleich neun mal wurde die Geschichte über das Grand Budapest Hotel für einen Academy Award nominiert.
Es gibt amerikanische Staatsbürger die sind so europäisch, dass man es kaum glauben will. Die Killers zum Beispiel, aus Las Vegas – Nevada wurden vom Rolling Stone einmal als europäischste (Indie-)Band der USA bezeichnet. Arnold Schwarzenegger dürfte das Pendat dazu sein: ein amerikanischer Europäer. Wes Anderson ist der wahrscheinlich europäischste Texaner in der Geschichte der Menschheit. Zumindest was seine Filme angeht.
Man taucht ein in die Welt eines Hotels, in eine vergangene Zeit, in der sich Europa und die Gesellschaft im ständigen Wandel befanden. In der Republik Zubrowka liegt das Grand Budapest Hotel, für das die Gesetze der Außenwelt nicht zu gelten scheinen. Hier trifft sich die Oberschicht um bei Monsieur Gustave H. – Ralph Fiennes at his best – zu weilen und sich verwöhnen zu lassen. Gustave hat eine schwäche für ältere Frauen, er ist ein Charmeur der Sonderklasse, ein Mann der seinen Gästen jeden Wunsch erfüllt. Er weiß genau wie er sich die Gunst seiner Besucher sichern kann. Für ihn arbeitet der junge Lobby-Boy Zéro Moustafa den er rasch unter seine Fittiche nimmt und ihn zu einem ausgezeichneten Helfer und Angestellten aufbaut.
Abenteuerlich werden die Beiden auf eine Reise geschickt, inmitten voller für sie unbekannter Regeln, richtig fiesen Bösewichten und einem Zwist um ein Testament einer reichen Dame, die, wie sollte es anders sein, „ihrem“ Gustave ein sehr wertvolles Kunstwerk vermacht. Den Kindern der Verstorbenen, insbesondere dem Sohn, ist der letzte Wille seiner Mutter ein Dorn im Auge und so nimmt die Geschichte Fahrt auf.

Die Art und Weise wie dieser Film erzählt wird ist unglaublich schnell, bunt, vielleicht etwas schrill, punktgenau: in einem Wort stimmig. Es ist diese andere Art von Film, nicht heroisch, nicht auf ein Happy End getrimmt, flüssig erzählend, ohne leere Dialoge, die europäische Filme von amerikanischen Hollywoodstreifen unterscheidet. Diese Settings, die von den Kameras so perfekt eingefangen werden und in Szene gesetzt werden, dass die Bilder von alleine schon Geschichten erzählen.
Die Feinheiten und wenn man so will Running-Gags dieser Komödie amüsieren und ziehen den Zuseher in einen Bann der Vollkommenheit. Immer wenn Gustave, der ruhiger und korrekter nicht sein kann, mit „I beg your pardon!“ sich als seiner Form der Empörung bedient, wird man nicht herumkommen zu schmunzeln, im späteren Verlauf des Films zu brüllen vor Lachen.
Und erst die Charaktere: Anderson fährt alles auf, von den Gefängnisinsassen Karl Markovics und Harvey Keitel, über den Hotelier Bill Murray, dem Lobby-Boy in alt F.Murray Abraham bis hin zu – tut mir Leid für die Ausdrucksweise – Superschurken William Dafoe, brillieren alle durch die Bank. Dafoes Charakter Jopling ist böser als Christoph Waltz’ Verkörperung von Hans Landa in Inglourious Basterds, praktisch einer der bösesten Filmcharaktere der Geschichte. Weil die Geschichte so schön ist.

Eine Hommage an Zweig und die Welt von gestern.

Inspiriert von Stefan Zweig hat Anderson wahrlich eine herzhafte Tragikomödie erschaffen. Was Zweig mit seiner Sprache schon schafft, unterstreicht der Regisseur mit unglaublich liebevollen, bunten und detaillierten Bildern. Das ist so viel Stefan Zweig, dass man für 100 Minuten wirklich drin zu sein scheint, in der Welt von gestern. So schließt auch der Film: „I think his world has vanished, long before he ever entered it. But he certainly sustained the illusion with a marvelous grace.“
Selten hat ein Film so eine Schönheit. Vielleicht nur La Grande Bellazza oder The Artist. Grand Budapest Hotel wird mit diesen Filmen verbunden werden, zumindest hier. Neun Oscarnomminierungen unter anderem für den besten Film, die beste Regie und das beste Drehbuch. Trotz Birdman: als bester Film wird am Sonntag The Grand Budapest Hotel ausgezeichnet.
 

Nein, auch an uns gehen die Oscars nicht spurlos vorbei. Lasst uns über Filme reden!
Titelbild: Tim Reckmann  / pixelio.de

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Vorheriger Artikel

Von Ewiggestrigen und Gutmenschen

Nächster Artikel

Hamburger Liebe und Elbharmonie

Latest from Film

Der unpolitische Widerstand

Stell dir vor, die Nazis hätten den Krieg tatsächlich gewonnen. Stell dir vor, nicht die Amerikaner, sondern die Nazis hätten die Atombombe gebaut und

Österreich wohnt in Kaisermühlen

Vor 23 Jahren feierte eine der erfolgreichsten österreichischen Fernsehserien ihre Premiere: der Kaisermühlen Blues. Bis 1999 wurde die Serie produziert, seit einigen Wochen läuft
Foto von Mike Yukhtenko auf Unsplash

Kurzum: Jim Jarmuschs „Dead Man“

Bei Jim Jarmuschs „Dead Man“ handelt es sich um einen amerikanischen Independent Western aus dem Jahre 1995. Er ist einerseits eines der kryptischsten Werke
Foto von Mike Yukhtenko auf Unsplash

Matchcut: Jim Jarmuschs „Dead Man“

Eine narrative Serpentine der spirituellen Wandlung Der Film kurzum abgehandelt. Im Jahr 2009 – vier Jahre nachdem sein subtil komödiantischer und gleichermaßen trister „Broken

#2 Dead Donkeys Fear No Hyenas

Bald ist es so weit. Vom 10. bis 13. Oktober 2017 werden im Innsbrucker Leokino insgesamt 46 ausgewählte Filme im Rahmen des INFF präsentiert

Könnte auch spannend sein

Die Emmys 2015

Am Sonntag werden in Los Angeles zum 67. Mal die Emmys verliehen.

Liebes Kino, ich liebe dich vielleicht: Darum ist das Zeughaus der beste Ort im Sommer!

Das Kino und ich hatten es in den letzten Jahren nicht immer