Ich habe mir dazu zwei recht unterschiedliche Filme ausgesucht: „The Grand Budapest Hotel“ und „Still Alice“.
Ich sitze dabei jeweils mit einem Freund im sehr gut besuchten Open-Air-Kino. Sehe Flugzeuge über mich hinwegfliegen, Glühwürmchen um mich herumschwirren. Ich sage, dass, wenn der Film schon nicht gut sei, ich wenigstens die Glühwürmchen beobachten könne. Der Ort ist wunderschön. Einer der schönsten Orte, die ich im Sommer kenne. Viele Menschen sehen das wohl auch so. Das Open-Air-Kino ist, vor allem bei „Still Alice“, bis auf den letzten Platz gefüllt. Es bilden sich vor dem Film lange Schlangen vor dem Bierausschank.
„The Grand Budapest Hotel“ am ersten Tag will mich überrumpeln und, ein wenig aufdringlich, von seiner eigenen Klugheit überzeugen. Geschickte Erzählweisen, Zitate, Intertexte, unvermittelte Kamera-Zooms. Ein Film für Intellektuelle und solche, die es noch werden möchten. Ein Film, der an seiner eigenen inszenierten Gescheitheit aus meiner Sicht scheitert.
Die Verklärung von Alltagsgegenständen und Alltagssituationen mit Hilfe von außergewöhnlichen Kameraperspektiven und extravaganter Farbgebung nervt und erinnert mich ein wenig an die „Weltverklärung“ in „Die fabelhafte Welt der Amelie“. Damals liebte ich diesen Film, heute kann ich ihn nicht mehr ausstehen.
„The Grand Budapest Hotel“ hat zu viel Kopf und zu wenig Herz zu bieten. Zu viel Meta-Ebene und zu wenig Wahrhaftigkeit und Direktheit. Anders gesagt: Der Film will mir andauernd eine geschickte Illusion vorgaukeln, aber weder die formulierte Utopie noch die Narration überzeugen mich. Für mich persönlich ein misslungener Film.
Anders am nächsten Tag bei „Still Alice“. Julianne Moore spielt mit einer Direktheit, Klarheit und Emotionalität, die direkt ankommt. Ohne Tricks, ohne Täuschung, ohne inszenierte Klugheit und spitzfindige intellektuelle Bezugnahme auf andere tragische Figuren der Filmgeschichte. Ja, da ist sie. Die gesuchte „Wahrhaftigkeit“, die mich bei Filmen wie „Amour“ von Michael Haneke so fasziniert hat. Keine Taschenspielertricks, kein intellektuelles Getöse, sondern einfach nur gutes Schauspiel, karg und direkt ins Szene gesetzt.
„Still Alice“ kommt diesem Vorbild nahe, nervt aber zwischendurch immer wieder durch etwas klischeehaft eingesetzte Musik, die Emotionen zu sehr unterstreichen und forcieren möchte. Weniger wäre hier mehr gewesen. Julianne Moore durchreißt diesen Schleier der Filmmusik-Konventionen aber immer wieder mit ihrem Schauspiel. Kurzum: ein gelungener Film, der mich bewegt hat, meiner Meinung nach aber (fast) nur wegen Julianne Moore zu einem Weltklasse-Film wird.
Zwischendurch bin ich bei den Filmen immer wieder mal abgedriftet. Haben mir Flugzeuge, Sternenhimmel und Glühwürmchen angesehen. Habe mich gefragt, warum ich die Filme nicht einfach Filme sein lassen konnte. Warum ich mich nicht einfach bereitwillig auf die „Illusion“ Film einlassen wollte, sondern wieder mal etwas analysieren musste.
Vermutlich hätte ich „The Grand Budapest Hotel“ früher geliebt. Er hätte mich genau getroffen. Es ist ein Film, der bewusst auf eine studentische, akademische und vermeintlich intellektuelle Zielgruppe zugeschnitten ist und mit deren Vorwissen und Bildung bewusst und gekonnt spielt. Das ist schön. Leider reicht mir das seit geraumer Zeit nicht mehr. Dann schon lieber die Direktheit und narrative Klarheit bei „Still Alice“.
Vielleicht habe ich meine frühere große Liebe zum Kino verloren, weil mir vieles zu gewollt vorkommt, zu inszeniert und dabei mit zu wenig Substanz ausgestattet? Ich weiß es nicht. Aber zumindest mein Wille mich mit dem Medium Kino überhaupt zu beschäftigen und auseinanderzusetzen ist in den letzten Tagen im Zeughaus wieder entflammt.
Es ist möglich, dass meine Liebe zum Kino in den nächsten Tagen wieder voll da sein wird. Wenn mir nur der richtige Film über den Weg läuft. Der Rahmen im Zeughaus würde schon mal stimmen. Es ist der schönste Ort im Sommer. Zumindest daran besteht schon mal kein Zweifel.
Titelbild: Leokino