Nun ist die Marke IFFI keineswegs ein quietschbuntes Entertainment-Label, sondern damals (Anfang der 90er) wie heute erfrischend sperrig. Neben den anrührenden gibt es immer auch die schwierigen Filme mit ihren hässlichen und schockierenden Bildern, in weitgehend unbekannten Sprachen, aus weitgehend unerreichbaren Orten, über weitgehend stammtischinkompatible Themen. Dokumentationen gehören zu den Kassenschlagern, und dokumentarisch sind oft auch die Spielfilme. Viele davon tragen als Low-Budget- und Indie-Filme zauberhafte oder irritierende „Spuren des Realen“ – und zwar des Realen aus allen Ecken dieser Welt.
Der Komparatisten-Geheimbund IFFI nimmt nämlich nicht nur die Kunst, sondern auch die Politik sehr ernst und fungiert gerne als Kuppler zwischen den beiden. Die (immerhin nur) in Zelluloid gemeißelte Festival-Policy: Gezeigt werden in erster Linie Filme aus der und über die südliche Hemisphäre und die benachteiligten Gebiete des Globus. Da gibt es naturgemäß oft wenig zu lachen.
A joke is a serious business
Aber Schmerz und Leichtsinn liegen nahe beeinander. Warum? Das ist genauso ein Rätsel wie das Lachen selbst, das dem Menschen allein eigen ist. Es ist – Ausnahmen bestätigen die Regel – keine Banalität, „sondern bringt den Geist zum Funkeln“, wie der diesjährige Stargast Jiří Menzel meint.
„Jiří Menzel – To Make A Comedy Is No Fun“ hieß auch der diesjährige Film zur Festivaleröffnung, zu der wenigstens Helmut Groschup, wenn schon nicht die Vertreter von Stadt & Land, zu Scherzen über den neuen PEMA-Turm aufgelegt war.
Ernst ist Sache mit der Komödie auch, weil Kino (betont: Kino, nicht Streaming) seinen unangefochtenen Status als Kunst und Unterhaltungskunst wird einbüßen müssen, wenn es sich weiterhin so von innen heraus zerstört.
In unseren schönen Zeiten verschwinden die subtilen Untertöne in der Komödie in einer Kakophonie aus Plattheiten und die visuelle Ästhetik wird als blutiges Opfer auf dem Altar der renitenten Retinareizung dargebracht. Da ist Jiří Menzel wie ein abgefuckter Roadtrip nach Prag, wenn man jahrzehntelang nur Urlaub im All-Inclusive-Zwangslager gemacht hat.
Das Lachen in den Zeiten des Totalitarismus
Mit Zwangslagern kennt Menzel sich übrigens aus. Zu Zeiten, als eine Million Tschechoslowaken samt Miloš Forman und Roman Polanski vor der Sowjetbesatzung flüchteten, blieb er aus Verantwortungsgefühl in einem Land, in dem man sich den Humor vom Mund absparen musste.
Wenn eine Komödie dann im Zwangslager spielt, ist klar, dass „hinter dem Lachen eine tiefe Erkenntnis“, und im Fall von Menzel eine tiefe Menschlichkeit stehen muss. Seine Film seien zugleich voller Ironie, Traurigkeit und Humor, sagt Englands größter Indie-Humorist Ken Loach mit rührendem Ernst über die Arbeit seines Freundes Menzel.
Unter solchen Vorzeichen ist eine Komödie kein Spaß und keine Banalität. „If you want to tell people the truth, make them laugh. Otherwise, they’ll kill you“, sagte Oscar Wilde so leichtsinnig, wie man es nur im 19. Jahrhundert sein konnte.
Und doch ist Leichtsinn oft die schönste Möglichkeit, der Zersetzung von innen zu begegnen. Nichts kann im gleichen Moment angsteinflößend und komisch sein, nicht einmal das Leben selbst. Deshalb ist Humor auch politisch – politischer als der selbstgerechte Ernst der Aktivisten und Weltveränderer. Das Komische ist sozialer, offener und vielschichtiger als das Tragische. Das Tragische ist Selbstinszenierung, dem Komischen ist das Selbst egal. Tragik mündet, wenn sie einmal durchgekämpft ist, im Leichtsinn.
Dafür steht auch Regisseur Mohammed Soudani, der dieses Jahr (ausnahmsweise) nicht am Festival teilnimmt. Seine Filme über den Algerischen Bürgerkrieg sind von schmerzhafter Intensität und Ernsthaftigkeit. Wenn man dann völlig fertig aus dem Kinosaal kommt, steht draußen ein Soudani, der sich wegschmeißt vor Lachen. Die Möglichkeit auf solche Begegnungen ist das eigentliche Kapital des IFFI, jenseits seiner Filmrollen und -rechte.
Deshalb ist das Festival im bierernsten und latent-katholischen Tirol einer der wenigen Orte, wo Tragisches und Komisches ohne Widerspruch nebeneinander bestehen können – kurz, wo es ein bisschen lebendig zugeht.
Die komischen, tragischen und tragikomischen Highlights 2017
Von Jiří Menzel werden in den nächsten Tagen vier Filme gezeigt, am Mittwochnachmittag die herrliche Slapstick-Komödie „Ich habe den englischen König bedient“, abends der grenzgeniale Auslandsoscar-Film von 1968 „Scharf beobachtete Züge“. Hier wird der Maestro höchstselbst für ein Q & A anwesend sein. Donnerstag- und Freitagabend folgen „Ein launischer Sommer (Do, 21.25) und die Zwangsarbeiter-Tragikomödie „Lerchen am Faden“ (Fr, 21.30).
Einige Lacher wird wohl auch Pavo Marinković mit seinem neuen Feature „Ministry of Love“ (Mi, 22.00) ernten – das Liebesministerium bemüht sich um die gründliche Abschaffung des eigenen Ressorts, verfällt ihm aber selbst mit Haut und Haar.
In „Radio Dreams“ (Fr, 21.15) sind Haut und Haar lang und ungewaschen; Protagonist Hamid ist Metallica verfallen und versucht eine groteske Farsi-Hard-Rock-Fusion in seiner Radiostation in San Francisco. Musik und Kino ist sowieso eine großartige Kombination.
Wem der ganze Humor von den letzten Cineplexx-Besuchen schon zum Hals raushängt, kann sich am schwermütigeren Programm laben. „Town in a Lake“ (21.15) ist ein philippinischer Kleinstadt-Thriller der Sonderklasse.
Von klassischer IFFI-Qualität ist „Wolf and Sheep“ von der erst 27-jährigen Shahrbanoo Sadat, die die Legende des Kaschmir-Wolfes auf den Boden des Alltags am afghanischen Land holt.
Das vollständige Programm samt Trailern ist hier zu finden. Das IFFI läuft von Mittwoch, 24. 5. bis inkl. Sonntag, 28.5. im Leokino, Cinematograph und mit Rahmenprogramm an diversen anderen Standorten.
Trailer
Titelbild: (c) IFFI, Facebook