Straßenlaternen

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© Jurec / Pixelio.de

Ich gehe eine Straße entlang. Eine Straße die ich benutze solang meine Erinnerung zurückreicht. Es ist Nacht. Die Dunkelheit lässt die Welt ringsum versinken. Die Straße selbst wird von Straßenlaternen beleuchtet. In regelmäßigen Abständen ragen sie aus dem Boden. Konstant ergießt sich das kühle Licht auf die Straße.

In Gedanken vertieft folge ich dem Verlauf der Straße. Ein dichter Strom von Menschen umgibt mich. Alle bewegen sich in die gleiche Richtung. Die Blicke der Menschen sind auf den Weg vor ihnen fixiert. Kein Blick zurück und schon gar nicht nach vorne. Trotz der vielen Menschen fühlt sie sich leer an, denn ich nehme niemanden wahr. Auf meinem Weg konzentriert passiere ich erneut eine der Straßenlaternen. In diesem Moment umgibt mich für einen Augenblick Schwärze. Sekunden später beginnt die Laterne wieder zu leuchten. Ich halte an, zögere kurz. Doch ich bin mir sicher, die Straßenlaterne hat geflackert. Sonst scheint es niemandem aufgefallen zu sein. Unbeirrt gehen die Menschen weiter. Keine fragenden Blicke, keine Verwunderung in ihren Augen. Sie sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

Mit einem mir unbekannten Gefühl im Bauch setze auch ich meinen Weg fort.  Wieder flackert das Licht. Diesmal längere Abstände zwischen Licht und Dunkelheit. Abrupt bleibe ich stehen. Auch andere Menschen halten an, starren verdutzt auf die Straßenlaterne. Unverständnis in den Augen. Gemurmel dringt an mein Ohr. Schnell setzten sie ihren Weg wieder fort, denn die anderen Menschen beginnen sie anzurempeln. Ich bleibe alleine vor der Straßenlaterne stehen.

Mein Blick wandert jetzt zurück auf den bereits gegangenen Weg. Mir fällt eine Frau auf, die auf mich zukommt. Vor sich schiebt sie einen Kinderwagen her. Es ist schwer zu sagen, wie alt die Frau ist. Sie sieht eigentlich jung aus. Ihre Augen wirken stumpf und leer, als ob sie in einem langen Leben zu viel gesehen hätte. „Warum stehst du hier“ fragt sie mich. Ich erzähle ihr von der flackernden Straßenlaterne. Kurz blitzen ihre Augen auf. „Damals als es geschah, flackerten auch die Straßenlaternen.“  Sie hält mir ein vergilbtes Stück Zeitungspapier vors Gesicht. Ich nehme es und lese den Artikel. Als ich sie fragend ansehe, nimmt sie den Artikel wieder an sich. Sie setzt ohne ein weiteres Wort ihren Weg fort. Mir fällt auf das der Kinderwagen leer ist und die Worte des Zeitungsartikels hallen in meinem Kopf. „26. April 1986: Supergau im Sowjetkernkraftwerk Tschernobyl“

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