Eine Karriere ist leichter zu starten als zu beenden. Das wissen vor allem die Tiroler Gegenwartsdichter, die sich oft unter Tränen von ihrem Lebenswerk trennen, um dieses dem Brenner-Archiv zur Verfügung zu stellen.
Dabei handelt es sich um eine Art literarisches Krematorium, worin die Texte nicht verbrannt, sondern durch Konservierung unbrauchbar gemacht werden.
Wer einmal in diesem Archiv untergekommen ist, ist nicht nur weg vom Fenster, sondern auch erledigt. Das muss man nämlich erst psychisch aushalten, dass man mit jenen Zeitgenossen, die einem ein Leben lang auf den Keks gegangen sind, für ewig in einer Truhe zu liegen kommt.
Diese perverse Kollektivierung und Auslöschung jeglicher Identität wurde übrigens jahrzehntelang am Mühlauer Friedhof praktiziert, indem eine Zeile von No-name-Dichtern rund um den aus Salzburg geklauten und von Galizien überstellten Trakl versammelt wurde.
Um dieser endgültigen Auslöschung in der Provinz zu entgehen, empfiehlt sich ein Blick ins internationale Show-Business.
Was macht eigentlich David Hasselhoff, wenn er seine Karriere beendet?
Dieser Tage hat er nämlich das Geheimnis seines Verlöschens gelüftet. Er wird sein berühmtes Auto, den sagenhaft intelligenten K.I.T.T., um einen sagenhaften Preis versteigern. Als Draufgabe wird es eine gebrauchte Badehose aus der Serie Baywatch geben, die als Inbegriff für Potenz gehandelt wird. Und wer noch nicht genug hat, kann mit dem Künstler im Rahmen einer Charity-Veranstaltung Essen gehen, das Dinner (in Badehose?) geht 7.000 um her.
Die Träume des Spenders gehen selten mit den Träumen des Publikums d’accord. Vor allem das Dinner hat sich in Echtzeit als Flop herausgestellt. Auch hier gilt offensichtlich das Brenner-Prinzip, wer will mit einem halb Verwesten noch lebend zusammensitzen?
Gegen diese erotischen Verheißungen eines internationalen Künstlers fällt das Abschieds-Angebot von Dichtern, die außerhalb des Brenner-Archivs verlöschen wollen, sehr spartanisch aus:
Mitfahrt auf eigenem Fahrschein im Bus der Linie „R“; gebrauchtes Buch des Autors, aus dem er vor Jahren das letzte mal vorgelesen hat; literarische Jause im Stehen, 20 Euro gehen dabei an das Projekt „20er“.
STICHPUNKT 21|08, geschrieben am 24.01. 2021