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Charleys Tante

Herbert K. ist verunsichert.

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Matador. Eine alte, österreichische Traditionsmarke. Mit den großen Buchenholzklötzen, Holzrädern und hölzernen Verbindungsdübeln. Genau das richtige für die Vorschulkinder: Autos, Enten, Figuren, Züge, ja sogar Puppenmöbel und einfache Maschinen können daraus zusammengebaut werden. Da lernen selbst die Mädchen den Umgang mit Hammer und Kneifzange, die für das Extrahieren von festsitzenden Stäben Verwendung findet.

Der Baukasten für die größeren Kinder ist dann schon feiner sortiert, filigraner. Umlenkrollen, Seilzüge und Gummibänder verleihen den Lenkungen, Karussellen und sogar einem Turner am Reck die entsprechenden, bewegungstechnischen Fähigkeiten.

Matador – auch wenn der Name ungewohnt spanisch klingt, aber dieser Tage lässt ja sogar Volkswagen seine Autos von Iberern zusammenschrauben – Matador, ein Segen für jede Kinderstube. Herbert K. konnte da einfach mit ein paar Holzklötzen, Rädern und zwei, drei Achsenstäben seinem Sohnemann das Hebelgesetz veranschaulichen, die Grundzüge des Flaschenzugs erklären und die Wirkungsweise eines Katapults eindrucksvoll präsentieren. Späterhin, der Sohn war mittlerweile dem Matador entwachsen, vermochte Herbert K. mithilfe eines alten „Was ist was“-Bandes die Geheimnisse von Blitz und Donner zu lüften, aber ab der ersten Klasse Oberstufe verstand der Sohn bereits mehr von der V2 und der Me 262 als Herbert K. wohl jemals kapieren würde.

Wissen bedeutet nicht automatisch, dass man alles begreift und nachvollziehen kann. Man glaubt einfach. So weit ist da die Wissenschaft von der Religion doch gar nicht entfernt. Eine Erkenntnis die Herbert K. einer Offenbarung glich: Nicht die Argumente zählen, sondern die damit einhergehende Botschaft. Niemand würde sonst an Jungfrauengeburten, Fegefeuer, Paradiese, den Großen Austausch und an Chemtrails glauben. Es genügt gegen jedes vernünftige Argument einen scheinbar persönlich bekannten Einzelfall ins Feld zu führen, der a) geheilt b) infiziert c) getötet d) errettet wurde, weil er a) alternative Medizin b) Systemärzte c) korrupte, linke Eliten d) uraltes Wissen erlitten, ertragen oder angewandt hatte. Bis in alle Ewigkeit. Amen.

Glauben versetzt Berge und vermag die eigenen Fragen als ketzerische Zweifel zu brandmarken, die nur dazu dienen sich der Dekadenz einer vermeintlich aufgeklärten Bildung zu ergeben. Der Sumpf aus Gutmenschentum, Genderwahnsinn und Klimakommunismus lauert überall. Da muss man stark bleiben. Sich treu bleiben. In aller Ehre.

Herbert K. wusste um die Macht der Bilder, um die Verlockungen des Verbotenen. Schon als junger Mann erkannte er instinktiv die subtile Anziehungskraft der Travestie. Diese Doppelbödigkeit aus Verkleidung und Verlangen. Auch wenn er es noch nicht richtig für sich einzuordnen vermochte. So wie im Gymnasium, bei Homer, wo sich Achilles, dieser Inbegriff aus Männlichkeit und Furor in Frauenkleider hüllte. Oder Peter Alexander. Der beinahe in all seinen Filmen irgendwie als Charleys Tante, oder besser gesagt „Tunte“, auftaucht. Selbst bei „Narrisch guat“, dieser biedermännischen Klamauksendung des ORF gibt es immer wieder diese verzerrten Nummern, bei denen schmerbäuchige Männer mit Kopftüchern und Haushaltsschürzen in aller Peinlichkeit vorgeben endlich Brüste zu haben. Widerlich.

Das schlimmste aber für Herbert K. war und ist diese Rocky Horror Picture Show. Erschrocken, angeekelt, zutiefst verunsichert hatte sich Herbert K. diesen Film mindestens fünfmal angesehen. Wie hypnotisiert, schwankend zwischen heteronormativer Ablehnung und hormongesteuerter Faszination. Dr. Frank-N-Furter – in Strapsen und High Heels! Freie Liebe, Selbstverwirklichung, Lebensfreude. Wo bleiben da Heimat, Familie, Mann, Frau, Blut und Boden?

Kann es da für einen wie Herbert K. eine Lösung, eine Erlösung geben?

It´s just a jump to the left!

So einfach wäre das.

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