Die Groteske als Stilmittel des brachialen Humors gehört zum unabdingbaren Repertoire eines jeden Clowns. Verbale Deftigkeiten, zotige Untergriffe und hemdsärmeliger Chauvinismus, verpackt in die Szenerie einer vorgetäuschten Tollpatschigkeit. Der dumme August als Metapher des eigenen Daseins. Mit roter Nase, übergroßen Schuhen, stolpernd und ungeschickt. Eine Lachnummer – und dennoch ein Held, der, versteckt im Kleid des Narren, befreit von allen Konventionen, alles und jedes sagen darf, der die Unzulänglichkeiten seines Tuns so lange überspitzt, bis ihn letztendlich der tosende Applaus des Publikums zum Sieger verklärt.
Zelt bleibt Zelt. Egal ob Bierzelt oder Zirkuszelt. Wer es einmal verstanden hat die eigenen Schwächen positiv umzumünzen, hat keine Angst mehr vor vermeintlich zu großen Schuhen. Lernen allein ist da zu wenig, man braucht auch jenes Talent, das einen befähigt über die eigenen Grenzen hinaus zu gehen, den Enthusiasmus eines Predigers.
Die Macht der Worte, die Macht der Ausstrahlung. Herbert K. wurde rasch klar, dass sein Aussehen eher für Harmlosigkeit stand, für fehlende Athletik, für Schutzbedürftigkeit. Ihm blieb nur der gute Spruch, das Verbale, um sich in Szene zu setzen, seine Grenzen abzustecken. Körperlich ungefährdet, aber sprachlich gerade noch so aggressiv, dass er nicht ständig in Gefahr lief, ein paar heiße Ohren einzufangen. Herbert K. verabscheute physische Gewalt, besonders wenn sie gegen ihn selbst gerichtet war. Freche Sprüche und Clownerie: das war sein Rezept.
Und als die örtliche Jugendgruppe des Kameradschaftsbundes im Sommer im Bärental einen Clown Workshop anbot, meldete er sich umgehend an. Eine Woche Training. In einem ein wenig heruntergekommenem ehemaligen Gasthof. Mit gemeinsamem Frühstück, gemeinsamen Kochen, gemeinsamen Putzen, Liederabenden und kontrollierter Bettruhe.
So hatte sich Herbert K. das nicht vorgestellt. Was sollte er mit Singen, Kochen und Geschirr abtrocknen? Und in der Gruppe voreinstudierte und auswendig gelernte Witze vorzuspielen ödete ihn an. Peinlich diese krampfhafte Lustigkeit! Zudem fielen ihm beim vormittäglichen Jonglieren andauernd die Bälle herunter. Da waren sogar die Mädchen geschickter. Das war schon fast wie bei den ihm so verhassten Schilagern, wo er als einer der Kleinsten automatisch immer in die Stemmbogengruppe abkommandiert wurde. Er war kein Herdentier. Herbert K. war Solist. Ein Einzelkämpfer. Der endlich am Donnerstagabend mit seiner Soloperformance zeigen durfte, welch geborener Clown er war: Mit weißer Wuschelperücke, rot-weiß geschminktem Mund, Pappnase, gestreiftem Nachthemd und den übergroßen Schuhen.
Keine Spur von Lampenfieber, keine Spur von Nervosität. Stolz und überglücklich watschelte er in den Übungsraum, begleitet vom schütteren Applaus der anderen Kursteilnehmer. Verneigung links, Verneigung rechts, eine Drehung und dann – dann stolperte er über seine viel zu großen Clownschuhe! Alle lachten. Verwirrt blieb Herbert K. am Boden liegen. Alle lachten und zeigten grölend mit dem Finger auf ihn. Das war nicht mehr seine Nummer. Sie lachten nicht über ihn als Clown, sondern sie lachten ihn ganz einfach aus!
Herbert K. spürte die Demütigung körperlich und fühlte wie unbändiger Zorn in ihm erwachte: Man lacht nicht über einen Herbert K.. Man lacht nicht über einen Clown – und erst recht nicht über einen Clown namens Herbert K.!
Voller Wut zog sich Herbert K. in sein Zimmer zurück. Alle sollten da noch ihr blaues Wunder erleben! Er, Herbert K., würde mit Garantie noch in diese Schuhe hineinwachsen. Ingrimmig begann er für seinen Auftritt am Abschlussabend zu üben. Das Lachen sollte ihnen im Hals stecken bleiben!
Samstagabend. Im Lichtkegel des Scheinwerfers betrat er den Vorführraum. Stille. Absolute Stille. Kein Räuspern, kein Huster. Nichts. Die Stille der Angst. Reglos stand er da, ließ nur seinen Blick breit lächelnd über die Zuschauer streifen. Ein paar der kleineren Mädchen begannen zu schluchzen, zu weinen. Herbert K. hatte es geschafft. Mit weißer Clownperücke, die Augen mit Rot und Schwarz geschminkt und fahrig verwischt, den schwarz umrandeten Mund zu einem bedrohlichen, geifernden Schlund verzerrt. Rot gestreiftes Nachthemd, zerfetzte Lederhandschuhe und an seinen Füßen anstatt der tollpatschigen Riesenlatschen seine auf Hochglanz polierten Springerstiefelchen. Herbert K.. Harlekinus minimus horribile.
Der kleine Horrorclown.
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