Deutschrap #2 – Islam

Die im Rap behandelten Themen in nur einen Text zu packen, wäre eine fahrlässige Vernachlässigung, da Rap thematisch mindestens genauso divers ist wie jede andere Musikrichtung. Deshalb werde ich in diesem Text meinen Fokus auf ein zur Zeit brennend heißes Thema legen: Gangsterrap und Islam. Hiermit hüpfe ich auf einen bereits rasenden Zug auf, der, je nach Problematik, die gerade auf der politischen Agenda steht, seinen Kurs wechselt. Rap und Homosexualität, Rap und Gewalt, Rap und Feminismus. Jetzt eben Rap und Islam.
Ein Name, der in den letzten Monaten in diesem Zusammenhang öfters zu lesen war, lautet Denis Cuspert alias Deso Dogg. Deso Dogg war ein mehrmals inhaftierter, mäßig erfolgreicher Gangsterrapper, der gegen Ende der Nuller Jahre Zuflucht im Salafismus fand und 2012/2013, nachdem er in Deutschland für einen vermeintlichen Terroranschlag eine Sprengstoffweste anfertigte, aus der BRD floh und sich nach Syrien absetzen konnte. Dort dreht Cuspert ab und an Propagandavideos für den „Islamischen Staat“ und findet somit den Weg in die heimische Presse. Im April veröffentlichte er ein Video, in dem er in einer Art von Kampf-Naschid (islamistischer a-capella Kampfgesang, ohne musikalische Untermalung, geht ja nicht) Drohungen wie „in Frankreich folgten Taten, die deutschen Schläfer warten“ an seine alte Heimat richtete. Deso Dogg, der gescheiterte Rapper, ist zum Sinnbild der „gefährlichen Verbindung“ zwischen Deutschrap und Islam geworden.
Und so wird nun vieles durcheinander gebracht. Ein gläubiger Rapper mit Migrationshintergrund verkommt in den Medien zu einem muslimischen Rapper, dem schnell das Propagieren eines politischen Islams vorgeworfen wird. Es fallen Begriffe wie Machismus, Gewalt, Außenseitertum und schon sind die Parallelen gezogen. Dass deutsche Gangsterrapper, die oft einen migrantischen Hintergrund besitzen, sich hier einem, dem amerikanischem Rap entliehenen, Klischee bedienen und eigentlich eine überspitzte Kunstfigur (das gerappte entstammt im Normalfall nicht der Biographie des Rappers) darstellen, gerät dabei gerne in Vergessenheit. Der Rapper Haftbefehl zum Beispiel, betont des öfteren sein Abkupfern beim amerikanischem Gangsterrap, in seinem Fall bei der East-Coast-Legende Biggie Smalls. Andere Thematiken, die auch dem amerikanischem Rap entnommen worden sind, wie die Bejahung des Kapitalismus und somit westlicher Werte (leider), Konsumismus, Drogenverherrlichung, die ganz eindeutig nicht den Motiven eines politischen Islams entsprechen, werden außen vor gelassen. Man hängt sich an einzelnen, religiös anmutenden Textzeilen auf, übersieht aber die Vielfalt an Zeilen, die nicht mit der herausgepickten vereinbar sind. Man vergisst etwas, was Gangsterrap ausmacht: Er funktioniert nicht nach gesellschaftlichen Regeln. Gangsterrap versucht nicht Moralvorstellungen zu vermitteln. Er ist einfach, wie er ist, provokativ.
Dass sich Salafisten und der IS hingegen beim Rap bedienen, macht durchaus Sinn. Rap ist eine Subkultur, Sprachrohr derer, die am Rande der Gesellschaft stehen und es von alleine nicht schaffen den Weg hinein zu finden. Außenseiter blasen ihr Ego bis zur Unkenntlichkeit auf, um ihren Standpunkt vertreten zu können. Gangsterrap ist vielmehr ein soziales Phänomen, als ein kulturelles oder religiöses. Genau dasselbe gilt für die, die aus Europa in den Dschihad gezogen sind. Es sind meist Konvertiten aus ärmeren, ausgegrenzten Schichten, die im Salafismus Gehör gefunden haben und somit endlich Teil einer Gruppe waren. Identität, Zugehörigkeit, Anerkennung, Aufmerksamkeit und auch ein wenig Rebellion. Dieselben Grundmotivationen, jedoch ganz anders ausgedrückt.
Zum Abschluss noch zwei extrem auseinanderdriftende Beispiele: Einerseits das Video Haftbefehls, das mit religiösen Symbolen spielt, sie aber ad absurdum führt (z.B. eine Burka von Louis Vuitton), andererseits ein Lied von den Grazern Yasser und Ozman, das Religion als identitätsstiftendes Zusammenbringen der Kinder der dritten Generation, die von der westlichen Gesellschaft, in die sie unfreiwillig hineingeboren wurden, abgestoßen werden, hochstilisiert.

Artikelbild: Universal Music Deutschland / Haftbefehl Pressebilder 2014
Zu Teil 1: Technik

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