Fiva gastierte gestern im Treibhaus in Innsbruck. Und die Massen kamen! Das folgt einem einfachen Mechanismus. Denn in Österreich kann es kein Fehler sein, sich drei Zeichen anzuheften und zuschreiben zu lassen: FM4. Ganz egal ob das mit intensivem Airplay, mit der Bezeichnung „FM4-Album der Woche“ oder gar mit einer Moderation auf diesem Sender erfolgt: Der Sender FM4 macht aus unbedeutenden musikalischen Randphänomenen und durchschnittlichen Provinz-Bands relative Massenphänomene. Ganz einfach weil er die Macht dazu hat und das Publikum vor den Radiogeräten hörig und unkritisch genug ist um dem Sender auch noch die mittelmäßigste Band als das neue große Ding abzunehmen.
FM4 ist der Sender für selbsternannte Besserwisser, die vermeintlich bessere Musik hören und auch sonst ein bisschen über der breiten Masse stehen – sei es moralisch oder intellektuell. FM4 ist der Sender für Menschen, die anders sind und sich dabei gerne mit „Anders-Gleichen“ solidarisieren und somit die recht homogene Gruppe der FM4-Anhänger bilden. Anders und anders gesellt sich eben gern und bildet einen sogenannten „Indie-Mainstream“.
Damit erfüllt der Sender FM4 eine gänzlich andere Aufgabe als der Einheitsbrei-Radiopop-Sender Ö3. Wir erinnern uns dazu an den Skandal, den Elke Lichtenegger losgetreten hat. Im Zweifelsfall spielt Ö3 ganz einfach keine lokalen Bands und Acts, sondern gibt sich mit den international nivellierten Pop-Konventionen zufrieden. Ö3 empfiehlt sich daher auch als Sender für Menschen, die eigentlich gar keine Musik mögen. Musik darf nicht wehtun, darf ja nicht auch nur ein bisserl herausfordernd oder anders sein. Es lebe der Einheits-Sound!
Da soll sich jetzt jemand entscheiden. Denn die Sache ist eigentlich dann doch viel komplizierter. FM4 verschafft, trotz allem, immer wieder grandiosen Bands die Aufmerksamkeit, die sie sich auch verdient haben. Und auf Ö3 läuft hin und wieder auch ein Pop-Lied, das ein wenig vom Einheits-Sound abweicht und tatsächlich ein Weltklasse-Lied ist, das man immer und immer wieder hören möchte.
Wie auch immer man sich entscheidet, ob man sich überhaupt entscheidet oder man sowohl FM4 als auch Ö3 ignoriert ist dabei eigentlich zweitranging. Spätestens bei einem Konzert von Fiva in einem überfüllten Treibhaus in Innsbruck wird man sich genau diese Frage stellen. Zumal Fiva absolut mit FM4 assoziiert ist, sowohl was Airplay als auch die eigene Moderationen bei besagtem Sender betrifft. Selbst der Schlagzeuger der Band trug gestern ein FM4-Shirt. Und das Publikum sah exakt so aus, wie man sich ein FM4-Publikum vorstellt.
Es läge somit nahe Fiva als eine unbedeutende Rapperin aus dem FM4-Dunstkreis zu beschreiben, die eben mit Hilfe der beschriebenen FM4-Mechanismen groß geworden ist. Es wäre sehr einfach sie als poetry-slam-afffine Dilettantin abzutun, die außerhalb von Österreich ohne die Hilfe von FM4 keinen Fuß auf den Boden bekommen hätte. Es wäre sehr einfach sie mit einem Phänomen wie Mieze Medusa zu assoziieren, nach der, zu Recht, außerhalb von Österreich kein Hahn kräht.
Das Konzert von Fiva im Treibhaus: So ist es gewesen!
Ein paar Dinge sind aber notwendig um zu einer mehr oder weniger objektiven Einschätzung des Konzertes von Fiva zu kommen. Erstens sollte man die FM4-Assozation einfach mal vergessen oder zumindest hintan stellen. Ebenfalls vergessen sollte man, dass mehr als die Hälfte der Konzertbesucher wegen ihrer FM4-Verbundheiten da waren. Somit gilt es der Versuchung zu widerstehen, einen Act a priori schlecht zu finden, nur weil er auch von einem gewissen Anteil von relativ unkritischen Musikkonsumenten gehört wird.
Was blieb dann noch übrig? Hat die Musik von Fiva Substanz? Hält sie einer kritischen Betrachtung stand? Interessanterweise lässt sie sich oberflächlich sehr gut mit der Musik beschrieben, die sich jeweils im Umfeld von FM4 und Ö3 findet. Die Musik ist klug und cool genug, um FM4-Hörern zu gefallen und dabei teilweise poppig und eingängig genug um auf Ö3 nicht zu stören und dort sogar ein potentielles Highlight im tristen, grauen Pop-Einheitsbrei zu sein.
Fiva ist sowohl eine mehr als akzeptable Rapperin als auch „populistisch“ genug um den einen oder anderen doch recht platten Refrain zu riskieren. Schließlich muss es den Massen ja gefallen! Möglicherweise lässt sich hier auch wahrnehmen, wie nahe der „Indie-Mainstream“ und der Ö3-Mainstream sich schon gekommen sind. Ob sich Ö3 in Richtung „Indie-Mainstream“ verändert hat oder ob die Musik von FM4 mit der Zeit immer massentauglicher geworden ist, ist dabei nur schwer zu entscheiden.
Dazu kam aber bei ihrem gestrigen Konzert etwas, das diese Kategorien transzendiert und immer wieder kollabieren ließ: Echte Begeisterung, echte Euphorie und eine positive Ausstrahlung, die man so echt und aufgesetzt sonst kaum serviert bekommt!
Man muss sich Fiva als einen glücklichen Menschen vorstellen, der es auch schafft diese Glücksgefühle auf ihr Publikum zu übertragen. Dieses dankte ihr jeden Satz und jeden Refrain, die Stimmung steigerte sich, wurde zu reinen Euphorie, später zu Raserei. Was wiederum echtes Gerührt-Sein von Fiva nach sich zog. Es fällt sehr schwer diese Frau nicht als hochgradig sympathisch und authentisch zu beschreiben.
Damit ist auch schon die Stärke von Fiva genannt: Wenn sie auf der Bühne steht, werden die Fragen nach Szenen-Zugehörigkeit, nach FM4 oder Ö3 und sogar nach tatsächlicher musikalischer Qualität hinfällig. Fiva spielt ganz einfach die Musik, die ihr liegt und die ihre Person und ihr Wesen ganz unmittelbar und direkt zum Ausdruck bringt. Sie wirkt so, als ob Posen und Inszenierung absolut sinnlos wären. Als ob sie das ganz einfach nicht nötig hätte. Es fällt schwer sich jemanden vorzustellen, der noch echter und noch weniger gekünstelt rüberkommt.
In dieser Hinsicht war es ein wunderbares, beglückendes Konzert. Kein Konzert für reine Hörer, die sich große musikalische Innovationen erwarten. Aber ein Konzert für Menschen, denen das Herz wichtiger als der Kopf und das Gefühl wichtiger als der Intellekt ist. Für mich war es das perfektes Konzert für einen der letzten heißen Sommerabende in diesem Jahr. Es war unbeschwert, leichtfüßig und doch nicht banal.
Wie hat es doch so schön eine Konzertbesucherin formuliert: „War das schön? Wir sind verliebt!“. An diesem Abend haben sich wohl so einige in die Aufrichtigkeit und Direktheit von Fiva verliebt. Ganz egal, welchen Musikgeschmack sie sonst hatten. Ganz egal welchen Radiosender sie nun präferierten. Ein schöner Abend, der Grenzen überwand und Kategorien hinfällig machte.
Titelbild: www.szene1.at