Ihr kennt das Theremin vielleicht aus Science-Fiction-Soundtracks und Gruselfilmen. Möglicherweise fällt euch auch noch eine mehr oder weniger gelungene „Ufo-Szene“ aus dem einen oder anderen Hollywood-Streifen ein. Ein unbekanntes Flugobjekt nähert sich unserem Planeten und dazu jault das Theremin so sehr, dass einem der Schauer über den Rücken läuft. Was sie wohl von uns wollen, diese seltsamen Männchen? Unseren Planeten zerstören? Vermutlich. Jedenfalls nichts Gutes. Die Musikuntermalung mittels Theremin legt es mehr als nur nahe.
Ließe man den durchschnittlichen Musikhörer frei zu den Klängen des Theremins assoziieren, so fielen ihm höchstwahrscheinlich ebenfalls eher unheimliche und mythenumrankte Geschichten ein. Dunkel und unheimlich ginge es in diesen zu.
Liegt es an der kulturellen Prägung durch diverse Filmsequenzen, die sich in unser Unterbewusstsein eingeschrieben und unsere Hör- und Rezeptionsweise in Bezug auf dieses Instrumentes geprägt haben? Gibt es überhaupt einen Ausweg aus diesem Dilemma?
Klar ist, dass einer nicht unbedeutenden Masse der Musikhörer das Theremin immer noch tendenziell fremd ist. Es fasziniert, durchaus. Es wirkt exotisch, stimmt. Schließlich ist es das einzige Instrument, das komplett ohne Berührung gespielt werden kann. Aber wird es auch als ernst zu nehmendes Instrument wahrgenommen? Eher nicht.
Dem Theremin traut man nicht so recht zu, dass es auch im Kontext von fröhlicher, komplexer, schräger oder kompositorisch anspruchsvoller Musik stehen kann. Wer stellt sich das Theremin auf der Bühne mit einem Kammerorchester vor? Vermutlich fast niemand. Glaubt jemand ernsthaft, dass es ganze Sonaten für das Theremin geben könnte? Hat jemand so viel Vorstellungskraft, dass er sich ausmalen kann, dass es ganze Konzerte gibt, die für das Theremin geschrieben wurden? Vermutlich kaum.
Carolina Eyck: Workshop und Konzert im „Audioversum“ in Innsbruck
Die Theremin-Spielerin Carolina Eyck verriet mir im Vorfeld ihres Workshops und Konzertes im „Audioversum“, dass es sich ihrer Meinung nach mit dem Theremin so verhalte, wie mit einem Menschen, den man nur einmal getroffen habe. Dieser hätte damals eine ganz bestimmte Sache gemacht und würde jetzt darauf reduziert werden. Er käme nur mehr schwer davon weg, mit genau dieser Sache und Handlung verbunden und assoziiert zu werden.
Auf den Punkt gebracht kann man somit sagen, dass die Geschichte des Theremins nicht nur eine Geschichte voller Missverständnisse ist, sondern von Vorurteilen geprägt ist. Wäre man dem Theremin in anderen Kontexten „begegnet“, würde es nicht auf diese eine Funktion festgelegt und nicht nur in diesem ganz konkreten Kontext verortet werden.
Aus dieser Situation heraus ließe sich nur eine Schlussfolgerung ziehen. Es müssten Orte der Begegnung mit dem „exotischen“ und „unheimlichen“ Instrument Theremin geschaffen werden. Orte, an denen der ästhetischen Fixierung entgegen getreten wird. Situationen, in denen das mystische, unheimliche und faszinierende Instrument entzaubert wird.
Das Theremin wird nicht wie von Geisterhand gespielt, sondern dahinter steht ein ganz klar definierbares Handwerk. Eine bestimmt Spieltechnik, mit Hilfe derer man ganz ohne Berührungen Tonleitern und Kompositionen spielen kann.
Höchstwahrscheinlich müsste man auch dem entgegen treten, dass das Theremin nur reine Untermalung ist. Soundkulisse. Purer Klang. Das Theremin ist ein ernstzunehmendes Musikinstrument. Jedenfalls dann, wenn man mit einem ernsthaften Anspruch und Musikalität an dieses Instrument heran geht. Mit der Musikalität einer Carolina Eyck.
In ihrem Workshop in Innsbruck erschuf Carolina Eyck solche Situationen. Jeder sollte das Instrument einmal berühren bzw. eben nicht berühren und versuchen, wie es sich anfühlt mit diesem Musik zu machen oder zumindest Klänge und Sounds zu erzeugen. Hinter ihren Fertigkeiten auf diesem Instrument, das wird schnell klar, steckt jahrelanges Üben, jahrelanges Vordenken, wie man dieses Instrument spielen könnte.
Sogar eine eigene Spieltechnik hat sie vor einigen Jahren etabliert und in einem Lehrbuch niedergeschrieben. Auch derzeit arbeitet sie an einem Buch und entwickelt zusammen mit dem Theremin-Spieler Thierry Frenkel ein eigenes Instrument, das den jetzt am Markt verfügbaren Modellen in Sachen Technik und Spielbarkeit überlegen sein soll.
Für Carolina Eyck ist das Instrument nicht nur ein Gimmick. Nicht nur ein seltsam klingendes Instrument, dem fast jeder ein paar seltsame Sounds und Töne entlocken kann. Es ist für sie ein Instrument, dem sie enormes Potential zuschreibt. Die klanglichen, spielerischen und technischen Möglichkeiten des Theremins sind, der Marginalisierung in der Musikgeschichte sei „Dank“, noch lange nicht ausgeschöpft.
Ihr anschließendes Solo-Konzert zeigte, was das Theremin so alles kann. Es eignet sich ganz hervorragend dazu, um die Stimmung auf einem Volksfest akustisch darzustellen. Man kann damit bestens improvisieren und, einem Zuruf aus dem Publikum folgend, das Motiv eines Vulkanausbruchs hörbar machen. Zum Theremin lässt sich tanzen, feiern. Das Theremin kann vor allem aber auch Geschichten erzählen, denen man lange zuhören möchte.
Mit der Zeit gewöhnt man sich an den Klang, er wird, trotz der Faszination die er fortdauernd ausübt, „normal“ und „erwartbar“. Das allein lenkt schon die Aufmerksamkeit weg von der klanglichen Beschaffenheit zum spieltechnischen Vermögen von Carolina Eyck. Sie ist eine Virtuosin im allerbesten Sinne. Nicht in der oft missverstandenen Weise der Selbstdarstellung, sondern im Sinne der mühelosen Beherrschung ihres Instruments.
Bewegung der Hände, Komposition, Klang und Spieltechnik wurden eins. Gingen bruchlos ineinander über. In solchen Momenten wusste man, dass Carolina Eyck so gut wie alles spielen könnte. Und dass sie hartnäckig daran arbeitet, noch vorhandene Einschränkungen auf ihrem Instrument in technischer und spieltechnischer Hinsicht bald zu überwinden. Damit sie genau das machen kann, was sie mir im Gespräch zuvor verraten hat: „Ich spiele einfach die Musik, die mir Spaß macht.“ Einschränkungen, welcher Natur auch immer, stünden ihr da nur im Weg.
Höchstwahrscheinlich ist damit auch schon ihr Anspruch an dieses Instrument bestens skizziert: Die Möglichkeiten des Instruments auf jeder Ebene noch auszuloten. Das Instrument der Verortung in bestimmte Kontexte zu entreißen und diesen Festlegungsversuchen mit einer möglichst großen musikalischen Bandbreite zu begegnen. Das Theremin kann Jazz, kann Klassik, kann Kate Bush – und noch vieles mehr. In dieser Hinsicht lohnt es sich absolut ihrem aktuellen Video-Projekt zu folgen (einige der Videos sind in diesem Beitrag eingebettet, Anm MS).
Letzen Endes setzt sie den Konkretisierungsversuchen was das Theremin nun wirklich sei die Antwort entgegen, dass man das Theremin nicht festlegen kann und nicht festlegen sollte. Den Marginalisierungsversuchen setzt sie ihre Musikalität, ihren schieren Willen und ihren Forscherdrang entgegen. Der Workshop und das Konzert im „Audioversum“ belegten das eindrucksvoll.
Titelbild: Sebastien Bozon