von Markus Stegmayr (Seite 1) und Martin Senfter (Seite 2)
Listen sind überflüssig. Generell. Niemand braucht sie. Im Moment verstopfen die Musik-Jahresbestenlisten gerade die sozialen Netzwerke. Jeder Rezensent, Journalist oder Meinungsmacher hat seine ganz eigene Sichtweise auf das Musikjahr 2015. Sonderlich originell sind diese Listen in den wenigsten Fällen.
Vornehmlich deshalb, weil sich so gut wie alle dieser Listen mit nur einem Genre beschäftigen. Sprich: die besten Indie-Platten, die besten Jazz-Platten, die besten Was-Weiß-Ich-Platten. Sogar Rezensenten klassischer Musik wagen sich immer wieder an Besten-Listen.
Warum daher nicht dezent größenwahnsinnig werden und die ultimative Liste der absolut allerbesten und großartigsten Musik im Jahr 2015 vorstellen? Bescheidenheit ist eine Tugend, die hier keine Rolle spielen wird. Wer diese Musik in diesem Jahr nicht gehört hat, hat nicht wirklich Musik gehört.
Wer diese Liste nicht kennt, der hat etwas verpasst. Auch wer Listen nicht mag und wem es schon beim Anblick einer „To-Do-Liste“ graust und der deshalb erst recht keine Musik-Bestenliste mag wird nicht darum herum kommen, diese Musik-Bestenliste zu lesen und folglich die damit einhergehende Musik zu hören. Das eigene Leben als Musikhörer wird danach ein anderes sein.
Damit wir auch das gleich klarstellen: Die Reihung dieser Platten ist nicht willkürlich. Sie ist notwendigerweise so und absolut in Stein gemeißelt. Widersprüche werden nicht geduldet.
Platz 10: Wilco – Star Wars
Nein, das Rad erfinden Wilco auf diesem Album nicht neu. Müssen und wollen sie auch gar nicht. Eher ist „Star Wars“ eine geniale Lockerungsübung einer Band, die ihren Sound jetzt endgültig gefunden hat. Nels Cline, virtuoser Gitarrensound- und Riff-Mastermind der Band, ist auf „Star Wars“ endlich voll integriert. Er bemalt, verziert und veredelt die Songs, die vornehmlich aus der Feder von Jeff Tweedy stammen.
Nachdem sich dieser auf der vorangegangenen Platte mit seinem Sohnemann der musikalischen Ausuferung hingegeben hatte, geht es hier um Reduktion. Darum, konzise, kleine Rock-Indie-Alternative-Songs zu schreiben. Das gelingt ihm vortrefflich. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die gesamte Band spielt so locker und lässig wie vielleicht überhaupt noch nie in ihrer Karriere. Zumindest hat man sie im Studio noch nie so entspannt und dabei unprätentiös abenteuerlustig und experimentierfreudig erlebt.
Platz 9: Mary Halvorson – Meltframe
Ein Flugzeug? Ein Unfall? Eine kaputte Gitarre? Nein, Mary Halvorson, die auf dieser Solo-Aufnahme aufs Ganze geht. Ein Schlag ins Gesicht der gesamten Gitarren-Vituosen-Wichser, die sich, seit man den ersten Ton von Mary Halvorson gehört hat, fragen, ob Halvorson das Gitarrenspiel nun eigentlich neu erfindet oder ganz einfach schrecklich schief und falsch spielt.
Dass die Kategorien von konventionellen Gitarren-Mögern hier ableiten sagt eigentlich schon alles. Halvorson stellt hier die pure Materialität der Gitarre vor, spielt sie kindlich-virtuos, naiv-aufgeklärt und geräuschhaft-kontrolliert. Wer mag, darf sich neue Begriffe und Kategorien überlegen um dieses Album und ihr Gitarrenspiel zu beschreiben. Wer aber wirklich Ohren hat, der höre. Und sei begeistert von diesem Werk.
Platz 8: Daniiel Trifonov – Rachmaninov Variations
Ein Jahrhundert-Talent. Sagt man zumindest. Ich sage mal: Ja eh. Aber wäre das weiter erstaunlich, wenn es dabei nur um die Spieltechnik ginge? Tut es hier aber nicht. Trifonov spielt leise, nicht laut. Eindringlich, nicht aufdringlich. Gegen diese Aufnahme kann man gerne das gesammelte Lang Lang Werk liegen lassen, der sich mehr in der Pose und in seiner Virtuosität als in wirklichem Gefühl und Originalität gefällt.
Trifonov benutzt sein großes Vorbild Rachmaninov hier um sich auszudrücken. Er findet neue rote Fäden in seinen Kompositionen. Dabei verhält er sich respektvoll dem Ausgangsmaterial gegenüber und ist weit davon entfernt, sie selbst als Genie so wichtig zu nehmen wie Glenn Gould. Alles in allem: Eine saubere Meisterleistung, die auf mehreren Ebenen interessant ist.
Platz 7: Ghost – Meliora
http://www.dragcity.com/artists/joanna-newsom
Satanismus? Ja bitte! Zumindest dann wenn er so flockig und leicht verdaulich daherkommt wie bei Ghost. Hier wird der Gehörnte gepriesen bis auch noch der letzte gläubige Katholik lauthals mit grölt. Wahrlich kein Wunder bei diesen Songs, die ebenso so sehr nach Abba als nach Okkult-Rock der 70er-Jahre klingen.
Damit gelingt Ghost vielleicht das hymnischste, fabelhafteste Rock-Album der letzten Jahre. Mehr zu sagen wäre umsonst. Diese Platte muss man hören. Darüber zu schreiben wären wie zu Architektur zu tanzen.
Platz 6: Schmieds Puls – I Care a Little Less About Everything Now
Popmusik aus Österreich? Muss wirklich nicht sein. Vor allem nicht in einer Jahresbestenliste. Wo Wanda ganzen Hallen mit wenig subtiler Schülerband-Musik füllen und Bilderbuch mit Protz-Pop junge Menschen begeistern hat es so ein zartes Pflänzchen wie Schmieds Puls naturgemäß schwer. Trotz aller Wahrscheinlichkeit wächst und gedeiht dieses aber ganz famos. Die Basis ist dabei einfach: Gute Songs.
Mastermind der Band Mira Lu Kovacs schreibt grenzenlose „Pop-Songs“ im allerfeinsten Sinne. Simpel, auf den Punkt, aber nicht darum verlegen, sich auch „popfremden“ Elementen zu bedienen. Der eine oder andere „Jazz-Akkord“? Bitte sehr. Ein bisserl vertrackte Rhythmen, die Ö3-Hörer beim Nebenbeinhören ins Stolpern bringen würden? Alles da, da, da.
So ist diese Platte ein Füllhorn an guten Ideen, großartigen Songzeilen und tollen Songs. Und das ist schon mal viel. Sehr viel. Mehr als man von der heutigen Popmusik eigentlich erwarten kann. Erst recht im österreichischen Kontext.
Platz 5: Julian Lage – World´s Fair
Das kommt also raus, wenn sich einer der virtuosesten Gitarristen überhaupt auf die Melodie verlegt. Auf den Song. Auf die Songdienlichkeit. Darauf, wie eine Gitarre sich im Kontext der Melodie bewegen und bewähren kann. Herausgekommen ist ein Solo-Album, das geradezu vor großartigen Melodien übergeht.
Das Spiel von Lage ist delikat, zurückhaltend und doch mitreißend. Wie gelingt ihm dieses Meisterstück? Vermutlich dadurch, weil er darum weiß, dass auf den ersten Blick unspektakuläre Melodien, ausgestattet mit kleinen Details, langsam, aber sicher in den Kopf der Hörer einsickern. Seine Experimentierfreude ist immer noch präsent, blitzt zwischen den Melodien auf. Die Einfachheit wird mit Komplexität quasi unterlegt. Beides ist immer da. Gleichzeitig. In dieser gelungenen Symbiose hat man das noch selten gehört. Eine Platte, die zweifellos süchtig macht.
Platz 4: David Torn – Only Sky
Hört sich wirklich jemand freiwillig im Jahr 2015 Ambient-Musik an? Dieses langweilig Zeugs, das eigentlich nur noch dazu taugt um Flughäfen und Wellness-Bereiche zu beschallen? Ich denke nicht. Aber das Ohr täte der Platte von David Torn Unrecht, wenn es seine Musik in diese Kategorie einordnen wollte.
Seine Musik ist mehr: Das Rauschen der Klangteppiche hat hier eine andere Funktion. Es dient nicht dazu, um die eigenen subjektive Überwältigung im Gesamt-Kosmos zu thematisieren. In seiner Musik gibt es kein aufgelöstes Subjekt, sondern es behauptet sich, tritt gegen Auflösungs- und Überwältigungs-Tendenzen hat. „Only Sky“ ist damit ein Statement.
Es ist eine Aussage die eine gewagte Behauptung trifft: Musikalität ist im Kontext von Geräusch, Rauschen und Effekten möglich. Es gilt lediglich, mit Geräuschen, Rauschen und Effekten mit einer überwältigenden Musikalität umzugehen und sie gekonnt in einem kompositorischen Gesamtkontext einzubetten. Allein diese Tatsache unterscheidet Torn von 99 % der Musiker, die vergleichbare Musik machen.
Platz 3: Michael Wollny – Nachtfahrten
Das Konzept hier ist so einfach wie genial: Man nehme schlichte Melodien. Dur-Akkorde. Entferne sich damit im ersten Augenblick deutlich von jeglichem Jazz-Vokabular. Gar ein Hauch von David Lynch umweht diese dunkle Platte, die ihrem Namen alle Ehre macht. Ein Album also, das Bohren & The Club Of Gore Fans gefallen könnte? Möglicherweise. Eine Platte, die in den allgemeinen Düsternis-Trend passt und vielleicht auch für Chelsea Wolfe Hörer bekömmlich ist? Wer weiß.
Wollny geht es aber um etwas anderes. Er vergiftet die Nachvollziehbarkeit, Einfachheit und Eingängigkeit des auf den ersten Blick erscheinenden und hörbar werdenden musikalischen Konzeptes. Die Konsonanz der Tracks wird durch subtile Dissonanz gestört. Die „Pop-Logik“ der Tracks wird durch merkwürdige Umwege und Ausschweifungen irritiert.
In dieser Widersprüchlichkeit entfaltet „Nachtfahrten“ seine volle Wirkung. Es ist eine Platte, die offen und verstehbar vor einem liegt und sich doch immer wieder entzieht. Das fasziniert und macht diese Platte fast unerschöpflich und dauerhaft interessant.
Platz 2: Patricia Kopatchinskaja – Take Two
Schön, wenn eine Platte so beginnt wie „Take Two“. Ein kurzes, experimentelles Stück, keine 50 Sekunden lang. Die Funktion des Stückes ist klar: Die Ohren durchputzen, die ja ganz verstopft sind von klassischer Musik, wie so im Allgemeinen rezipiert und produziert wird.
Danach lässt Kopatchinskaja Duette aus 1000 Jahren Musikgeschichte folgen. Bescheidenheit geht anders. Doch es gelingt ihr. Auf die unverstaubteste Weise, die man sich nur vorstellen kann. Ihre Musikalität, ihr Spielwitz und ihre Virtuosität entstauben sämtliche Kompositionen – soweit das notwendig ist. Neben „Alter Musik“ wird ganz selbstverständlich neue Musik gestellt. Über mögliche Brüche wird mit einer gewissen ansteckenden Albernheit hinweg getänzelt.
Im Grunde ist das nur eine wunderbare Platte, die aber Sprengkraft hat, wie wir Musik in diesem Bereich ganz generell rezipieren. Nach dieser Platte können wir nicht mehr stillsitzen und bedächtig in Ehrfurcht erstarrt den großen Meistern lauschen. Wir werden uns Drachen vorstellen, die es zu bekämpfen gibt. Wir werden uns mit kindlicher Freude an ganz ganz alte Musik annähern. Wir werden uns Prinzessinnen vorstellen, die zu dieser Musik ihre erste Liebe gefunden haben. Und wir werden das Grundprinzip von Musik verstehen: Es ist ein Mittel gegen Einsamkeit. Und ein hochinteressantes Spiel, das keine Grenzen und festgeschriebenen Regeln kennt.
Platz 1: Joanna Newsom – Divers
Auf Joanna Newsom können sich offenbar sehr viele Menschen einigen. Auf Facebook gibt es eine ihre gewidmete Gruppe, die weniger einer Gruppe als einer Sekte gleicht. Jedes noch so kleine Detail von ihrer Musik wird da fein ziseliert und analysiert, jedes ihrer Konzerte besprochen und bewertet. Sowohl hippe Online-Medien als auch gediegene Musik-Kritiker jubeln ob ihrer neuen Platte, die auf den Namen „Divers“ hört.
Woran liegt es, dass sowohl die trend-affine Indie-Meute als auch alteingesessene Musik-Kritiker bei Newsom ins Schwärmen kommen? Vermutlich weil hier eine alte Sehnsucht bedient wird: Popmusik, die nicht banal ist, sondern sich in seiner Kunstsinnigkeit gefällt und auf dieser Ebene absolut keine Kompromisse macht. Diese Platte hat Texte, die man nur mit einem Doktorat in Literaturwissenschaft und nach exakter intertextueller Analyse wirklich versteht und Song-Strukturen, die mit dem heutigen Charts-Pop so gar nichts zu tun haben. Dazu eine Stimme, die man liebt oder hasst.
Es wäre leicht, dieses Album als prätentiöses Kunst-Getue mit wenig Substanz abzukanzeln. Nur: Es stimmt nicht. Das Album hat Substanz und fabelhafte Songs. Vermutlich die besten Songs in diesem Bereich, die seit langer Zeit geschrieben wurden. Prätentiös wirkt das Album nur aus der Sicht von Menschen, die sich nicht mit abweichenden Song-Strukturen und Akkorden beschäftigen wollen, die über G-C-D hinausgehen. Joanna Newsom setzt all diese Elemente mit einer Selbstverständlichkeit, die bei aller Komplexität atemberaubend leicht und, ja eben, unprätentiös daherkommt. Einfach die beste Platte des Jahres halt. Punkt.
[nextpage title=“Zur Liste für Menschen unter 30″]
Natürlich darf nicht nur der Stegmayr seine Lieblingsplatten vorstellen. Das wäre dann schon ein bisschen gar hart. Gibt ja auch noch andere Musik (in dem Fall lustig, normalerweise kommt zu erst der Mainstream).Zugegeben, da könnte jetzt ein bisschen mehr Hip Hop kommen. Wir drehen einmal um.
Courtney Barnett – Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit
28 Jahre aus Australien und wirklich keinerlei Scheu: Courtney Barnett hat mit ihrem Debütalbum „Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit“ überzeugt. Eine Mischung aus Folk und Grunge, einige würden es vielleicht auch nur Indie-Rock nennen. Macht aber richtig viel Spaß. Die banalsten Sachen besingt Barnett, vom Fehlen auf der Party bis hin zur unsäglichen Langweile. Es hat sich ausgezahlt, die Sängerin ist für einen Grammy als beste neue Künstlerin nominiert. Bei der Nominierung wird es vermutlich auch bleiben, der Preis dürfte amerikanisch-logisch an Megan Trainor gehen.
2015 gibt es also noch Grunge. Oder besser gefragt: wieder? Nach Kurt Cobain schien die Musikrichtung ausgestorben, Barnett nimmt aber Kernelemente wieder in ihr Repertoire auf. In „An Illustration Of Loneliness (Sleepless in New York)“ denkt sie vermutlich an einen Ex-Freund, was sie mit Zeilen wie „Wonder what you’re doin‘, what you’re listening to/Which quarter of the moon you’re viewing from your bedroom“ ausdrückt. Und wenn Barnett ausgehen will dann ist sie im Zwist mit sich: „I wanna go out but I wanna stay home“.
Das ganze Album ist vom Plattenlabel auf Youtube zum Hören bereitgestellt, einen Song als besonders herauszustellen funktioniert nicht. „Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit“ macht auf ganzer Linie Spaß. Das Hörbeispiel erinnert stark an Pete Doherty und seine Babyshambles. Sehr fein:
Action Bronson – Mr. Wonderful
Action Bronson mit „Mr. Wonderful“. Ein Koch der Rapper wurde. Besser geht es eigentlich nicht. Mark Ronson hat am Album mitgeschraubt, der 32-jährige Bronson und auch The Alchimist hat seine Finger im Spiel gehabt. Für ein Debütalbum wirklich ansehnlich.
Mr. Wonderful funktioniert, weil man kein Lied überspringen muss. Sehr solide Beats, sehr lässiger Text, man ist an einigen Stellen versucht „catchy“ zu sagen. „Actin Crazy“ gefällt am Besten, das kann aber auch am Video liegen:
Tame Impala – Currents
Über „Currents“ haben wir schon im Juli geschrieben. Die Platte muss in solch eine Liste. Einfach immer noch sensationell gut. Obwohl die Gitarren gestrichen wurden und die Synthies überhand nehmen. Die 13 Songs vergehen im Flug, sie drohen zusammenzuhängen, nur um erkennbar doch getrennt voneinander zu sein.
Ein Album das von dir will, dass du singst. Ein Album, dass dich tanzen lässt. Ein Album das Freude versprüht. Wie schon beschrieben: Kevin Parker, der Kopf hinter Tame Impala, legt spätestens mit diesem Album seine Meisterprüfung im Schreiben, Arrangieren und Produzieren von Musik ab. Ganz stark!
The Weeknd – Beauty Behind the Madness
2015 war definitiv das Jahr im Zeichen The Weeknds. Der 25-jährige Kanadier stürmte mit „Beauty Behind the Madness“ die Charts und bringt in seltenen, aber vorhandenen Fällen sogar den Autor dieses Textes zum Tanzen – und das heißt wirklich was.
R’nB ist immer noch voll da. The Weeknds Version von Beyonces und Jay-Zs „Drunk in Love“ zeigt sein enormes stimmliches Volumen. Und um diesen Vergleich kommt man einfach nicht herum: The Weeknd ist der neue Michael Jackson. Der Sound und die Stimme ergeben ein wahres Powerpaket, ein Feuerwerk, dass der Sänger jüngst auf der Victoria Secret Fashin Show abfeuern durfte. Gut, mit „Can’t feel my face“ hat er es irgendwie geschafft einen so eingängigen Refrain über Kokain zu schreiben, dass einem das nicht auffällt, von was er da singt. Der King of Pop hätte sicherlich mit einem Moonwalk Attribut gezollt. Außerdem: wer Madden spielt kennt den Song so oder so!
Joey Bada$$ – B4.Da.$$
Als Joey Badass 2012 sein Mixtape „1999“ veröffentlichte, war er gerade einmal 17 Jahre alt. Den Titel wählte er bewusst, er wollte den gleichen Sound erzeugen, wie er in den späten Neunzigern angesagt war. Das ist ihm gelungen. Drei Jahre später folgte endlich das Debütalbum des New Yorkers „B4.Da.$$“.
Auch hier zieht sich der Faden durch, Badass steht auf den Sound seiner Kindheit oder einer Zeit, die er noch nicht aktiv miterlebt hat. Nas, Tupac, Jay-Z, Biggy Smallz nennt er als seine Einflüsse, man hört sie auch auf diesem Album. Wer sich 2015 gerne in den Neunzigern aufhält – anhören.
Vince Staples – Summertime ’06
Weiter gehts es mit dem nächsten Nachwuchsrapper: Vince Staples. Der 23-Jährige veröffentlichte im Sommer sein Debütalbum „Summertime ’06“ – eine Hommage an seine Heimat Longbeach. Staples hat auf diesem Album seine Erlebnisse aus dem Ghetto verarbeitet. Weniger Glorifizierung, mehr Therapie, Staples überzeugt mit Flow und Beat.
Der „junge“ Vince war schon seit seiner Kindheit Gangmitglied, „Summertime ’06“ soll an all jene erinnern, die er seitdem verloren hat. Zwanzig Songs auf einem Doppelalbum, produziert von Def Jam Records und No I.D.
Jamie XX – In Colour
Nicht viele Worter benötigt Jamie XX auf seinem Album In Colour. Normalerweise mit The XX unterwegs, versuchte sich der 27-Jährige diesmal allein. Elektronische Musik kann er einfach. Braucht man nicht viel mehr dazu zu sagen.
Kendrick Lamar – To Pimp A Butterfly
Er hat es wirklich geschafft. Er hat „Good Kid, maad City“ toppen können. War der Vorgänger noch ein Konzeptalbum über das Leben in Compton, gemischt mit klassischen Beats, ist „To Pimp A Butterfly“ völlig anders. Jazziger, experimenteller, zu Beginn vielleicht schräg.
Lyrisch kann Kendrick derzeit niemand das Wasser reichen. Während “good Kid m.A.A.d. city” zum Inbegriff des neuen Rapkonzeptalbum avancierte, experimentiert Lamar am aktuellen Tonträger mit allem was HipHop und Rap im Jahr 2015 zu bieten hat. Funk, Jazz, Deepness und vor allem politischen Rap. “To Pimp A Butterfly” thematisiert Rassismus in den USA, gerade in Zeiten der Unruhen auf Grund der Todesfälle von Trayvon Martin und Michael Brown erhebt er seine Stimme. Lamar kommt aus Compton in Kalifornien, südlich von Los Angeles gelegen, eine der härtesten Gegenden in den USA. Überfälle, Drogenhandel, Waffen, Mord, praktisch GTA stehen dort an der Tagesordnung. “good Kid m.A.A.d. city” war Gangbangen’, “To Pimp A Butterfly” greift dieses gezielt an: Heuchler wird zum geflügelten Schlüsselwort.
Fünf Grammys könnte heuer Lamar abräumen. Eigentlich ziemlich wurst, das Album ist jetzt schon ein Klassiker. Die Musikvideos sind eine besondere Empfehlung.
Titelbild und Social Media Bild: (c) rafiki / pixelio.de