Der Anachronismus von Headbanging und Dosenbier

6 Minuten Lesedauer

An dieser Stelle muss einmal erwähnt werden, was für eine wunderbare Einrichtung die p.m.k. ist. Das natürlich aus den naheliegenden Gründen (ihre Funktion als Plattform für die underdogs der Kulturwelt, usw.), aber nicht zuletzt deshalb, weil Innsbrucks Metaller beim Saviours-Konzert Anfang März, ob ihrer kleinen Zahl, überall sonst ein wenig verloren gewirkt hätten – richtig Spaß macht so ein Konzert ja erst, wenn man neben den eigenen auch die Haare von mindestens drei anderen Personen im Gesicht hat.
Für die Show der Saviours aus Oakland, CA hat sich jedenfalls ein erkleckliches Häuflein Fans eingefunden, das ziemlich begeistert und dann auch ziemlich enttäuscht war, als das Vergnügen nach einer knappen Stunde schon wieder vorbei war. Aber ein anständiger Metal-Gig soll natürlich ein richtiger Kraftakt sein, und viel länger kann man wohl als Musiker gar nicht durchhalten, sogar wenn man wie Sänger/Gitarrist Austin Barber vorsorglich das Shirt hinter der Bühne lässt und größere Mengen Dosenbier prompt in Stoner-Furor umwandelt.


Das Konzert


Während der (qualitativ, nicht energetisch) eher schwächelnde Support Isaak aus Italien den Machismo wohl noch zu Kompensationszwecken nötig hatte, hätten die Saviours aber gut und gerne darauf verzichten können. Ihr solider und wirklich sauber gespielter old-school-Metal in der Tradition der 70er und 80er steht musikalisch für sich: Mit Sonny Reinhardt und Scott Batiste kann er mit einem jeweils wirklich ausgezeichneten Lead-Gitarristen bzw. Drummer aufwarten, während Andy Anderson wohl als der klassische Fall eines äußerst präzisen, aber leider völlig uninspirierten Bassisten bezeichnet werden muss.
Ihren Sound bezeichnen sie selbst gerne als gnarly, also irgendwie krass, mit dem Hinweis, dass man in der Industriestadt Oakland eben solche Musik machen muss, und tatsächlich gehört das Spiel mit den altbekannten Death- und Black Metal-Klischees (noch 2016 bestärkt man sich in weiten Teilen der Szene gerne und häufig in der Überzeugung, dass Gott auch wirklich tot ist) wohl zu den weniger beängstigenden Abgründen der Westküste.
Als Gegenmaßnahme zur Californication ist das Projekt Saviours jedenfalls mehr als gelungen, auch wenn man sich in einigen schwachen Momenten dann doch wünscht, Austin Barber würde der Welt den Anblick seines tätowierten Bierbauches ersparen. Wenn man sich aber, so wie es erwartet wird, in heftigem Headbanging ergeht (oder einfach die Augen zumacht) und deshalb von allen visuellen Eindrücken unbeeinflusst bleibt, klingt ihr klassischer und trotzdem nicht ohne weiteres schubladisierbarer Sound eigentlich recht gut, mit zum Teil wirklich hochwertigen Gitarren-Soli. Nur weil Metal in den Ohren weh tut und das auch soll, darf man nicht vergessen, dass er technisch (manchmal auch harmonisch) sehr anspruchsvoll sein kann und sich das eigentliche Können einer Band meistens erst live offenbart. Und spielen können die vier Kalifornier auf jeden Fall, Austin Barber übrigens auch singen. Dass man die Texte live überhaupt kein bisschen versteht ist in Anbetracht der Songtitel (etwa Earth’s Possession & Death’s Procession oder The Rope of Carnal Knowledge) eh besser so.
Natürlich gilt aber auch für die Saviours die alte Metal-Faustregel: Je tiefer die Vocals, desto freundlicher der Mensch, der an den Stimmbändern hängt. Barbers’ Abschiedsgruß („Thank you all so fucking much, Innsbruck!“) kommt jedenfalls spürbar von Herzen. Der Band hat’s also auch Spaß gemacht.


Das Fazit: Ist Metal überhaupt noch aktuell?


Nach so einer auf ihre Art schon eindrucksvollen Show bin ich geneigt zu behaupten, dass Metal seine Berechtigung als Genre heute vor allem aus seinem Widerwillen zur Modernisierung zieht: Als bevorzugt scharfkantige Felsen in der Brandung der beunruhigend kurzlebigen Musiktrends des 21. Jahrhunderts sind Bands wie die Saviours, die in aller Gelassenheit ihre schon lange nicht mehr überraschenden oder provokanten Projekte durchziehen, fast eine Wohltat (auch wenn das vielleicht nicht ihr ureigenste Absicht ist). Es ist schon ironisch, dass der Horror ganzer Elterngenerationen heute vielleicht eines der anachronistischsten Genres der U-Musik darstellt.
Trotzdem kamen die interessantesten Outputs der letzten 10-15 Jahre von Bands, die sich fremden Einflüssen und zum Teil radikal anderen Musikstilen geöffnet haben, allen voran Opeth, die z.B. mit Damnation ein ausgesprochen schönes, völlig cleanes gerade-noch-Metal-Album aufgenommen haben, aber auch die alten Slayer, die immer mehr in Richtung Punk/Hardcore gehen.
Soll heißen, wenn Metal zu sehr zur Haltung wird und die Kunst zu kurz kommt, nervt er einfach nur – oder wird zumindest, wie im Falle der Saviours mit der Zeit ein klein wenig öde. Wer sich als Rezipient trotzdem zur Rettung der Metalszene des Alpenraumes berufen fühlt, muss, damit trotz allem die Nachfrage stimmt, auch das aushalten können und hoffen, dass er in Zukunft noch Besseres geboten bekommt. Und, je nach Geschmack, abwarten, was Cannibal Corpse (30.04., Weekender), Goatess (auch 30.04., p.m.k.) oder Sólstafir (20.05., Komma in Wörgl) zu bieten haben. So leicht lassen sich die Headbanger nicht unterkriegen.


Zum Reinhören



 

Titelbild:SAVIOURS

2 Comments

  1. Ein Metalkonzert der Extraklasse ist schon am 31. März 2016 live im Q-West Kufstein zu sehen. Metallic Taste Of Blood + Support Act KRPL.
    Metallic Taste Of Blood sind Eraldo Bernocchi (Obake), Colin Edwin (Porcupine Tree) und Ted Parsons (Buckethead). Das Debutalbum von Metallic Taste Of Blood wurde von dem Magazin Metal Hammer auf Platz 4 der besten Alben 2012 gewählt, und auch ihre neue CD Doctoring The Dead ist in zahlreichen CD-Bestenlisten von 2015 vertreten. Und KRPL werden ihren speziellen Heavy InstruMental Rock präsentieren.

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