Jung, gutaussehend, hochmusikalisch: Drei Solistinnen, die ihr gehört haben müsst

8 Minuten Lesedauer

Mit den Interpretinnen und Interpreten in der klassischen Musik ist es ja so eine Sache. Plattenfirmen und Agenturen stilisieren diese gekonnt zu Stars oder gar zu Superstars hoch. Ein Hype reiht sich an den nächsten. Es gilt skeptisch zu sein, die Spreu vom Weizen zu trennen und einen strengen Blick auf die tatsächliche musikalische Substanz zu werfen.
Den drei hier vorgestellten Musikerinnen eilt jedenfalls der Ruf voraus, hervorragende und ganz und gar außergewöhnliche Solistinnen zu sein. Gut gestylt sind sie alle. Die Leute um sie herum wissen, wie die Musikerinnen in Szene gesetzt werden müssen.
Inwiefern diese die Entscheidungen in Stilfragen selbst treffen, kann nur schwer eruiert werden. Fakt ist aber eines: Bei diesen drei Musikerinnen ist nicht der Hype zentral, der nach einiger Zeit ohnehin auch wieder abebbt, sondern das spielerische Können und die Musikalität.


Vilde Frang


Die in Oslo geborene und derzeit in Berlin lebende Vilde Frang ist eine Geigerin von ganz und gar außergewöhnlicher Musikalität. Nicht nur, weil sie höchst virtuos spielt und selbst schwierigste Passagen federleicht meistert, sondern weil sie einen ganz eigenen Ton und eine hochgradig individuelle Spielweise pflegt.
Auf das erste Hinhören ist ihr Ton fast ein wenig dünn, zurückhaltend, wenig dominant – und dennoch voll und differenziert. Das mag auch daran liegen, dass sie eine nicht ganz alltägliche Geige spielt: Diese stammt aus der Hand Jean-Baptist Vuillaume aus dem Jahr 1864. Vilde Frang meinte einst zu dieser Geige, dass sie für sie perfekt sei. Eben weil sie ebenso wenig perfekt sei wie sie selbst.
Diese behauptete mangelnde Perfektion kann man, wenn man sich ihre Aufnahmen und Auftritte anhört, absolut nicht erkennen. Sie meint damit aber wohl, dass es ihr nicht um spielerische Perfektion oder gar um glatte Schönheit geht. Vielmehr legt sie so viel Ausdruck in die Musik, wie nur irgendwie möglich. So viel Persönlichkeit wie nur vorstellbar. Ihr Ton ist karg, rau und doch anrührend.
Sie verzichtet durchgehend auf Pathos oder Gefühligkeit. Passagen, die in anderen Händen zu Pathos und Kitsch neigen würden, spielt sie mit eisiger, tiefblauer Kälte. Warme Passagen betont sie, übertreibt oder überspitzt diese aber nie. Über all dem liegen eine Wildheit und eine beachtliche Unbekümmertheit, die nie nach verspätetem jugendlichem Leichtsinn klingt. Ob das an der „Suzuki-Methode“ liegt, mit der sie mit 4 Jahren das Geigenspiel begann? Denkbar. Jedenfalls ist Vilde Frang eine Musikerin, die man gehört haben muss. Und der hier beim „Alpenfeuilleton“ demnächst noch mehr Raum gegeben wird.


Olga Scheps


Die Spielweise der in Moskau geborenen und in Köln lebenden Pianistin  Olga Scheps wirkt oberflächlich betrachtet weniger spektakulär und einzigartig wie die von Vilde Frang. Keine Rauheit, keine wilde Unbekümmertheit, sondern Schönheit und Wohlklang. Im Gegensatz zu Vilde Frang kühlt sie die Kompositionen nicht ab und raut sie auf, sondern macht sie zugänglich und „singbar“. Sie arbeitet vor allem die Melodien und deren Schönheit und Klarheit heraus.

Der Klarheit und der Melodie verpflichtet: Olga Scheps (Bild: Uwe Arens)
Der Klarheit und der Melodie verpflichtet: Olga Scheps (Bild: Uwe Arens)

In einem Interview mit dem WDR merkte sie an: „Ich finde, dass die gesangliche Komponente beim Klavierspielen eine sehr große Rolle spielt; ich habe das immer als eine große Herausforderung gesehen, das Gesangliche aus dem Klavier – was ja eigentlich von der Physik her ein Schlaginstrument ist – rauszuholen.“
Von Olga Scheps darf man sich somit zurückhaltende Virtuosität erwarten. Virtuosität um der Virtuosität Willen ist ihr ein Gräuel. Das ist ihr in einer zum Teil in diese Richtung schielenden Klassik-Welt gar nicht hoch genug anzurechnen. Dahinter steckt eine überbordende, jedoch stets im Dienst der Komposition stehende Musikalität. Sie durchdringt die Stücke, findet neue, verbindliche rote Fäden und erteilt den vordergründigen Show-Effekten sowohl auf der Bühne als auch auf CD-Aufnahme eine klare Absage. Das Ergebnis ist Schönheit, Direktheit und pure Emotion.


Asya Fateyeva


Asya Fateyeva ist allein schon durch ihr Instrument eine Exotin in der Klassik-Welt. Sie spielt nicht Geige, nicht Celllo oder ein sonstiges, nahe liegendes Instrument. Sie spielt Saxophon und setzt dieses als Solo-Instrument im Kontext klassischer Musik ein. Eine Seltenheit. Das allein würde aber noch nicht ausreichen, um eine musikalische Sensation zu begründen, wie sie hier vorliegt.
Dass sie virtuos ist und es ihr an Musikalität nicht fehlt hat sie bei zahlreichen Wettbewerben unter Beweis gestellt. Als erste Frau überhaupt erreichte sie etwa das Finale des „Adolpe-Sax-Wettbewerbes“ in Belgien.

Bringt das Saxophon in die klassische Musik mit einem Paukenschlag zurück: Asya Fateyeva (Bild: Neda Navaee)
Bringt das Saxophon in die klassische Musik mit einem Paukenschlag zurück: Asya Fateyeva (Bild: Neda Navaee)

Nun ist es eine unbestrittene Tatsache, dass das Saxophon mit dem Jazz in enger Verbindung steht. Der Schritt in Richtung klassische Musik könnte leicht als Rückschritt wahrgenommen werden. Das Saxophon könnte außerdem sehr schnell nach einem Fremdkörper in diesem Zusammenhang klingen.
Asya Fateyeva vollbringt das Kunststück, dass nichts davon eintritt. Es wirkt und klingt nicht so, als ob das Saxophon die improvisatorische Freiheit des Jazz gegen die Unfreiheit und die strengeren Strukturen der Klassik eintauschen würde.
Es erscheint so, als sei das Saxophon nie weg und auf andere Spielweisen fokussiert gewesen. Der Ton ist elegant, leichtfüßig, warm, anschmiegsam. In den passenden Passagen kann das Saxophon von Asya Fateyeva aber auch ruppig werden, sich durchaus auch dem Jazz annähern. Es ist somit garantiert kein Rückschritt für dieses Instrument, sondern eine längst überfällige, hochmusikalische Erweiterung des Klang- und Repertoire-Spektrums dieses Instruments.


Fazit


All diese jungen Frauen beeindrucken in ihrem jeweiligen Segment, schaffen Neuerungen, finden neue Sichtweise oder etablieren und forcieren marginalisierte Instrumente in ihrem Genre. Mit Interpretinnen wie diesen muss man sich um die Zukunft der klassischen Musik keine Sorgen machen. Meisterwerke und teilweise zu Unrecht weniger bekannte Kompositionen werden weitergereicht, neu interpretiert, in neue Zusammenhänge gestellt oder gar neu entdeckt.
Dass diese Liste unvollständig ist, liegt auf der Hand. Für den Moment reicht es aber, diesen drei Musikerinnen Gehör zu schenken. Sie entführen auf ihre je ureigene Weise in eine faszinierende, komplexe und vielschichtige Musikwelt.


Zum Reinhören




Titelbild: Marco Borggreve

Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.

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