Durch ein elektronisches Dickicht

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In gewisser Weise machen die drei Herren aus Berlin Musik, die nur in der Großstadt entstanden sein kann. So wenig Perspektive und so viel Zynismus muss eine lange Geschichte der Verlorenheit vorausgehen. „Dense“ heißt „dicht“, aber auch „beschränkt“. Es ist ein schwer fassbares und sehr tristes Dickicht, durch das sich Denseland einen Abend lang wacker kämpfen. Aber, und hier wird es dann vergnüglich, auf der Ebene darüber findet sich auch ganz viel Sarkasmus, der zu sagen scheint: „Ganz so übel ist das Leben doch nicht. Aber man wird ja wohl darüber reden dürfen!“


Die Komponenten


Die verschiedenen Ebenen, das sind einerseits die minimalistischen Klangteppiche, die Hanno Leichtmann an den Drums und Hannes Strobl (der übrigens gebürtiger Tiroler ist) am Bass knüpfen, unter Ausnutzung des ganzen Klangfarbenspektrums. Heiter wird der Sound dadurch freilich nicht. Und dann sind da die Texte, die David Moss – nach eigenem Zeugnis „extreme vocalist“ – mit sehr viel Contenance ins Mikrofon jault, wispert und grölt. Die machen die Sache auch nicht viel erhebender. In manchem sind das die klassischen Entfremdungsfantasien des Großstädters, der darüber nachsinnt, was inzwischen alles „technology“ ist – mit einem wenig überraschenden Ergebnis: Eigentlich eh alles. Your voice. Your hands. Your DNA. Immerhin macht das die Sache kathartisch. Weswegen David Moss eigentlich auch ein sehr umgänglicher Zeitgenosse ist, der mit seinem Gute-Nacht-Gruß „To fucking bed!“ darüber witzelt, dass er als Entertainer auch ruhig mal ein Arschloch sein kann. Zwischen den teils sehr langen Songs sinniert er in einer pragmatischen Mischung aus breitem New-Yorkerisch und Berlinerisch darüber, wieso seine Songs so kryptische Titel haben (etwa „Disco Dictionary“) – oft weiß er selbst nicht.
Etwa auf halbem Weg durch das Konzert entführt Moss das Publikum auf eine Expedition. Das geht ganz problemlos, schließlich befindet man sich in einem „funtional club –  bar over there, nice people standing, doorway over there“. Wohin es gehen soll? Wohl irgendwohin, wo aus allen Ecken der „Hum of Sonic“ (nachzuhören auf dem bislang einzigen Album „Like Likes Like“) ertönt…


Die Intention


Denseland scheinen zwischen Soundexperiment, dem gezielten Versuch, die Massen runterzuziehen, und Kabarett mit hervorragender musikalischer Untermalung zu schwanken. Das macht sie zu einem extremen Nischenprodukt. Aber einem, das eigentlich mehrere Zielgruppen ansprechen könnte. Electronica-Fans, die gerne ihre Herbstdepression pflegen etwa. So vielfältig elektronisch distorted hört man den E-Bass kaum je. Da sind echte Könner am Werk.
Oder Jazz-Fans, die einen Fetisch für gute Texte haben. Eigentlich war Denseland mal eine anspruchsvolle Improband – aber dann wuchs das Interesse an eindeutigeren Botschaften.
Und natürlich Fans von , die schon in den 80ern schwarztragende Intellektuelle waren und anspruchsvolle Science Fiction lieben.
Alle können sich von Denseland gemütlich runterziehen und zwischendurch von ihren bösartigen Späßen erheitern lassen. Mit dem letztendlichen Ergebnis, dass es neben den vielen Anlässen zum Klagen auch noch etwas anderes gibt. Was das ist? Keine Ahnung – David Moss’ Texte sind sehr autobiographisch, zum Teil wohl auch tiefenpsychologisch inspiriert. Aber eines ist klar: „You can’t really touch it / You can’t really own it / You gotta love it“. Das gilt, neben manch anderem, auch für das ästhetische Vergnügen eines Gigs von Denseland. Lieben kann sie wohl nicht jeder. Aber es versuchen schon. Wer weiß, ob man sich in Moss’ vieldeutigem Fabulieren, Strobls unkonventionellem Bassspiel und Leichtmanns extrem präzisem („Your hands are technology…“) Drumming nicht ein wenig wiederfindet.


Zum Reinhören


Titelbild: (c) Michael Tewes

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