Leonard Cohen und der Zen-Buddhismus
In den frühen 90ern ging Leonard Cohen in ein Kloster. Dort fand er zum Zen-Buddhismus. 1996 wurde er unter dem Namen Jikan (Stille) zum Mönch. Man erzählt sich in diesem Kontext nur zu gerne die Geschichte vom etwas weltabgewandten Cohen, der seiner Managerin zu großes Vertrauen schenkte.
Während Cohen im und später wohl noch außerhalb des Klosters meditierte, veruntreute seine Managerin Millionen. Bald war Cohen zwar spirituell erleuchtet aber so gut wie pleite. Man darf darüber spekulieren, ob dieser Tatsache die folgenden Alben und vor allem die zu dieser Zeit für unmöglich gehaltenen Live-Auftritte zu verdanken sind.
Immer noch kursieren Gerüchte und Erzählungen über Cohen im Zen-Kloster. Manch einer will ihn dort gesehen haben. Unscheinbar sei er gewesen. Nichts Besonderes. Nichts habe darauf hingedeutet, dass dort ein Weltstar durch die Zen-Gärten schlenderte.
Man kann diese Geschichten für wahr oder erfunden halten. Ganz unmöglich sind solche Begegnungen nicht. Schließlich befindet sich besagtes Kloster nicht in Japan, sondern nördlich von Los Angeles auf 200 Metern Seehöhe. Klar ist jedenfalls, dass Cohen die Haltung des Zen-Buddhismus angenommen hat.
Man erinnere sich an seine selbstzerfleischenden Lieder seiner vielleicht dunkelsten und trostlosesten Platte „Songs of Love and Hate“. Im Lied „Dress Rehearsal Rag“ beobachtet sich der Ich-Erzähler des Liedes im Spiegel. „Hey Prince, you need a shave“. Und weiter „Yes it´s come to this, and wasn´t it a long way down, wasn´t it a strange way down?“. Das war bereits im Jahr 1971. Während andere noch späte Hippie-Lieder sangen war Cohen schon ganz unten. Seine Stimme brüchig, verzweifelt. Seine Finger zittern fast schon hörbar.
Spätestens 2013 begegnete man einem gänzlich anderen Cohen. Er wirkte locker-gelöst. Dankbar. Am Ende der Konzerte ließ er sich oft dazu hinreißen, sich vor seiner begnadeten Band hinzuknien. Im Gegensatz zum späten Bob Dylan ging er geradezu über vor Menschenfreundlichkeit. Er nahm sich selbst weniger ernst als jemals zuvor. Gar Selbstironie mischte sich hinein in das Gesamtkunstwerk Leonard Cohen. Cohen blickte auf Cohen und lächelte.
Der alte Mann und der Tod
Sein aktuelles Album „You Want It Darker“ wird derzeit von seinem offenbar nahen Tod her interpretiert und geradezu hymnisch besprochen. Gar ein Vermächtnis sei es. Jede Zeile wird auf ihre Bedeutungsschwere hin überprüft. Ist der Titelsong in dem Cohen die Flamme auslöscht ein Hinweis darauf, dass auch bald seine Flamme erlischt? Mit „Leaving The Table“ kündigt Cohen außerdem an, dass er er bald aus dem Spiel sein wird.
Ja, es stimmt. Während der Aufnahmen ging es Cohen schlecht. So schlecht, dass die Platte ohne seinen Sohn Adam Cohen gar nicht erschienen wäre. Dieser hatte den durchaus klugen Impuls seinen Vater so schnell wie möglich wieder ins Studio zu bringen. Adam Cohen war dabei sowohl als Sohn und Produzent als auch als Musiker tätig. Er machte seine Aufgabe gut. Entschlackt den Sound und gibt der Stimme seines Vaters viel Raum. Diese Stimme, die noch dunkler als sonst klingt. Dennoch sind es keine Begräbnislieder.
Es sind Lieder eines geläuterten und gelassenen Mannes, der dem möglicherweise nahen Tod ins Auge sieht. „I´m ready, my Lord“. Man kommt nicht umhin, bei dieser fatalistischen Formulierung ein wenig zu schmunzeln. Cohen weiß was Cohen-Hörer wollen. Ein wenig nimmt er sich dabei selbst auf die Schippe.
In anderen Liedern sprech-singt er darüber, dass er die ganze Zeit über wütend und müde ist. Oder: „I´m running late, they´ll close the bar.“ Abschieds-Metaphern allerorts. Gefühle, trotz reichhaltigem Leben doch noch etwas verpasst zu haben oder zu wenig geliebt und gelebt zu haben.
Der guten Cohen ist hier endgültig zu einem Weisen im zen-buddhistischen Sinn geworden. Mit so mancher Liebe ist es nichts geworden. Jetzt ist es aber Zeit loszulassen. Nicht nur weil vielleicht in ein paar Jahren der Tod wirklich an die Türe klopft, sondern weil der Weise weder an einer fixen Idee noch an alten Liebschaften oder verpassten Chancen hängt.
Das ist auch das Wesen dieser Platte. Sie beinhaltet, entgegen vieler abweichender Interpretationen, keine dunkle Musik von einem Mann am Ende seines Lebens. Es ist eine melancholisch-gelassene Platte eines Mannes, der seinen Frieden zum Teil schon gefunden hat und jetzt endgültig machen will. Tatsächlich vernimmt man kaum Gram und schon gar keine Wut auf das, was war und hätte sein können. Cohen rechnet ab. Aber leise, still. Ganz so, wie es sich für jemanden gebührt, der als Mönch „Stille“ genannt wird.
Fazit
„You Want It Darker“ ist, zumal auf der Ebene des Songwritings, tatsächlich eine überaus bemerkenswerte Cohen-Platte geworden. Ob sie sein Vermächtnis ist wird sich zeigen. Vor allzu großen und bedeutungsschwangeren Zuschreibungen sollte man diese Platte aber jedenfalls schützen. Denn damit würde sie die bemerkenswerte Gelöstheit verlieren, die in diesen eindrucksvollen Liedern bei aller existenziellen Schwere der Themen zu finden ist.
Hier geht es zu der vorherigen Folge von "Plattenzeit".
Zum Reinhören
Titelbild: (c) Sammy Slabbinck, Bearbeitung: Felix Kozubek