Gleich vorweg: Ich bin befangen. Die nachfolgende Konzert-„Kritik“ ist im hohen Maß tendenziös und verdient den Namen „Kritik“ nur bedingt. Egal wie lange ich suche, mir fällt kein Kritikpunkt ein. Oder doch? Aber beginnen wir lieber von vorne. Es ist Samstagabend. Zeit für Kultur. Spontan wird aus einem Theaterbesuch, ein Konzertbesuch. Aus dem Treibhaus wird the early bird. Aus dem Veranstaltungssaal ein Jazzclub. Ja, Innsbruck hat kulturell so einiges zu bieten. Manch einer glaubt das kaum. Viele wissen es (noch) nicht. Deshalb ja auch dieser Text!
An besagtem Abend spielen Woody Black 4 im Innsbrucker Musiklokal the early bird. Und hier sind wir schon beim Grund, wieso ich eingangs meinte, ich sei befangen. Woody Black 4 ist eine Jazz-Combo, bestehend aus eineinhalb Klarinetten und zweieinhalb Bassklarinetten. Instrumente, die ich all zu gut kenne. Immerhin hat meine Wenigkeit im Alter von acht Jahren mit dem Klarinettespielen begonnen. Mit 13 oder 14 kam dann die Bassklarinette dazu. Kein Wunder also, dass ich mir die vier Jungs unbedingt anhören wollte. Bis zu diesem Zeitpunk dachte ich auch, ja Bassklarinette spielen, das kann ich. Immerhin sind meine technischen Fähigkeiten beschränkt, die rhythmischen recht passabel und sobald es schnulzig wird, bin ich voll dabei. Die Bassklarinette vereint all das – dachte ich.
Woody Black 4 belehrte mich eines Besseren. Die sonst so behäbig anmutende Bassklarinette erklang an diesem Abend frech, selbstbewusst und spritzig. Zuhören war eine Leichtigkeit. In jeder Sekunde war man versucht mitzuwippen, mit dem Fuß zu stampfen oder mit den Fingern zu trommeln. Die vier jungen Männer beherrschen ihre Instrumente und scheinen sich seit Jahren zu kennen. Blind wirkte das gegenseitige Verständnis auf der Bühne. Vor lauter Spielfreude war schon mal ein Grinsen im Gesicht des einen oder anderen Musikers zu erkennen. Nicht nur ob der (südtirolerischen) humorvollen Anmoderation der selbstkomponierten (ja alle Musiker komponieren auch selbst: vom Pustertaler Jodler bis hin zu einem Stück über Bananen) Werke, konnte man an diesem Konzertabend phasenweise von Musik-Kabarett sprechen. Unterhaltung pur. Hörgenuss vom Feinsten. Und auch die Lachmuskulatur wurde angeregt.
Musikalisch möchte ich nicht all zu viele Worte verlieren. Das Können der vier Klarinettisten ist schnell zusammengefasst: Spitze. Wer in Windeseile, punktgenau und durchchoreografiert zwischen knorrig-tiefen Klängen und feinen, hohen Tönen umherspringt und dabei auch noch ein Lächeln im Gesicht hat, der kann was. Zudem durfte ich als erfahrener und leidenschaftlicher Bassklarinettist Töne hören, die ich nie aus dem Trichter einer Bassklarinette erwartet hätte. Hier wurde geklopft, gehaucht, geschnalzt und sogar gespielt-gesungen. Von befremdlich, über humorvoll bis hin zu erstaunlich – war da einfach alles mit dabei. Dieser Konzertabend war jedenfalls eine Horizonterweiterung. Bisher dachte ich, Bassklarinetten seien die Wasserträger des Orchesters. Sie untermauern, begleiten und umrahmen. An diesem Abend habe ich erfahren, dass Bassklarinetten auch Hauptdarsteller sein können. Bitte mehr davon!
PS.: Woody Black 4 sind nur ein Beispiel für Nischen-Musik von Weltrang, die regelmäßig in Innsbruck zu hören ist. Nur – die Wenigsten scheinen das zu wissen. Wer also von einem Abend in einem schummrigen Jazz-Club träumt, der muss nicht den Fernseher einschalten oder auf New York hoffen. Schuhe an, Jacke an, Hut auf und ab in die Innstraße.
Die Protagonisten
Die Jazz Band Woody Black 4
Die Musikbar the early Bird