Dieser Text erschien zuerst im Programmbuch der „23. Innsbrucker Promenadenkonzerte 2017 im Innenhof der Kaiserlichen Hofburg“ im Limbus Verlag
Das Wort „Ästhetik“ hat seine Wurzeln im Altgriechischen und bedeutet so viel wie „Wahrnehmung“ oder „Empfindung“. Beschäftigt man sich mit Ästhetik, ist die Frage nach den Bedingungen zentral, warum etwas als schön oder als hässlich wahrgenommen und empfunden wird. Als ästhetisch wird heute empfunden, was heraussticht. Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil wir in einem Zeitalter der Überforderungen leben. Unsere Kunst- und erst recht unsere Informations-Rezeption gleicht einem Versuch, Überflutungen zu bewältigen und zu kanalisieren. Wir können dieser Überflutung an Zeichen, Codes, Bildern und Klängen mit gesteigerter Aufmerksamkeit und mit einem erhöhten, kritischen Bewusstsein begegnen. So wird es uns möglich, zu unterscheiden, was unsere Aufmerksamkeit verdient und was nicht. Oder aber wir können kapitulieren und uns dem Prinzip der Gleichwertigkeit unterwerfen. Dann gelingt uns etwa die Unterscheidung von reiner Information und tiefergehendem Wissen nicht mehr. Alles wird gleichwertig, die Möglichkeiten der Beurteilung von Qualität und Schönheit eines Kunstwerks werden hinfällig.
In diesem Kontext fällt es leicht, Funktion und Wichtigkeit von Konzertreihen zu bestimmen. Eine Konzertreihe ordnet und selektiert, unterscheidet Wichtiges von Unwichtigem. Es wird angeboten, was sich als dasjenige herauskristallisiert hat, das nicht gleichgültig ist. Das mag, trotz der klaren Funktion und der wichtigen Aufgabe, auf den ersten Blick wie das Aufgeben der eigenen Mündigkeit klingen. Schließlich scheint es, als würde man die eigene Beurteilung und eigene tragfähige ästhetische Kategorien in die Hände eines Kurators, Festivalmachers oder Veranstalters geben. Dass die Kriterien wie bei den Innsbrucker Promenadenkonzerten transparent sind, löst diese Problematik nicht wirklich.
Doch die festen Grundsätze und die bei den Innsbrucker Promenadenkonzerten stets Jahr für Jahr aufs Neue verteidigten künstlerischen und musikalischen Standards regen an und leiten hin zu Fragen der eigenen bewussten Musikrezeption. Wer sich auf eine kuratierte Konzertreihe einlässt, wird bald dazu übergehen, die „fremden“ Standards, Ansprüche und ästhetischen Vorstellungen mit den eigenen Vorstellungen abzugleichen. Dabei können Reibung, Widerspruch oder Zustimmung entstehen, niemals aber Gleichgültigkeit. Im besten Fall, sofern sich die Ansprüche einer Konzertreihe als tragfähig und mitverantwortlich für Konzerte von erlesener Qualität erweisen, werden eigene Kategorien, Gewissheiten und Ansprüche hinterfragt.
Der bewusste Musikrezipient könnte gar zur unerhörten Frage gelangen, ob, trotz postmoderner Aufweichung dieser Idee, gar nicht alles beliebig und gleichwertig ist, sondern sehr wohl ein universeller Kern eines Kunstwerks existiert, der die Jahrhunderte überdauert und dessen Schönheit man sich mit dem richtigen „Erkenntniswerkzeug“ zuweilen erarbeiten muss.
In dieser Hinsicht nehmen die Innsbrucker Promenadenkonzerte eine Sonderstellung ein. Nicht der elitäre Standesdünkel der sich als gebildet fühlenden MusikRezipienten wird perpetuiert, vielmehr wird der niederschwellige und auch einladende Zugang zu wichtigen Musik-Kunstwerken präferiert. Leicht Verständliches steht in ausgewogenem Verhältnis zu Komplexem und zu Werken, die sich nicht ohne Arbeit und Vorwissen öffnen.
Die Aufgaben der Innsbrucker Promenadenkonzerte sind klar benannt. Sie haben den Mut, Wichtiges von Unwichtigem, Relevantes von Irrelevantem zu trennen. Konzertreihen, die sich auf den Sumpf der Gleichgültigkeit und Gleichmacherei einlassen, schaffen sich über kurz oder lang selbst ab. Sie sollen stattdessen durch den eigenen Mut zur Behauptung und Verteidigung tragfähiger ästhetischer Ansprüche das Publikum dazu anregen, eigene Kategorien zu etablieren, abzugleichen und auch kritische Einwände zu formulieren.
Nicht zuletzt ist es wichtig, überhaupt erst Zugang zu den maßgebenden Werken der Musikgeschichte anzubieten. Nur mit der Kenntnis der kulturellen Höhepunkte zum Beispiel der klassischen Musik ist es denkbar, zu verbindlichen Wertungsmaßstäben und haltbaren Bewertungskriterien zu kommen. Was hier fast technisch und rein funktional klingt, ist das schiere Gegenteil. Bei dieser „Arbeit“ des Abgleichens geht es nämlich darum, sich Zugang zur überzeitlichen Schönheit von großartigen Werken zu verschaffen. Diese Schönheit ist es, die sich gegen Gleichgültigkeit und Gleichwertigkeit von allem und jedem stellt. Sie ist im Heute so nötig wie nie zuvor.
Titelbild: (c) Heiner Jeller, Innsbrucker Promenadenkonzerte
makko iaz los amol galling no amol eini, sei itta sell a orschloch mit deinem larifari getue sinscht ziach i dr die leffl long sell sog i dr odr eppa itta