Befreit
Den britischen Musiker Daniel O’Sullivan hat so gut wie jeder Musikkenner schon einmal oder mehrmals gehört. Seinem Gitarren-Spiel und seinen Soundscapes ist man als Musikliebhaber fast sicher schon begegnet. Eine solche Begegnung hätte etwa bei einem Live-Konzert von Sunn o))) stattfinden können. Des öfteren hat er sich für diese unter schwarze Roben gezwängt und dem Musiker-Duo live musikalisch unter die Arme gegriffen.
Weiters ist er in der Band Æthenor zusammen mit Menschen wie Stephen O´Malley zu hören, seines Zeichens federführend bei gerade genanntem Drone-Noise-Duo. Nicht zuletzt spielt er bei der norwegischen Band Ulver eine gewichtige Rolle. Sowohl live als auch auf Platte ist seine extravagante, leicht exzentrische und doch subtile und songdienliche Musikalität ausgebreitet. Beim Quasi-Live-Album „ATGCLVLSSCAP“ von Ulver nahm er gar eine federführende Rolle ein – sowohl in Sachen Gitarren und Sounds als auch in Sachen Songs und Produktion.
Damit hat man noch gar nichts von seinem Psychedelic-Pop-Projekt Grumbling Fur gesschrieben. Oder von seinem Engagement bei Mothlite. Oder Miracle. Oder Guapo. Oder anderswo. Der 1980 geboren Musiker ist mehr als nur umtriebig. Zweifellos und gut hörbar ist er ein Sound-Enthusiast, der sich nicht auf eine Spielart und ein Genre festlegen möchte. Überraschend dabei ist jedoch, dass man seinen Einfluss in so gut wie all den genannten Projekten wiedererkennt und seine Musik doch unfassbar wandelbar und vielseitig bleibt. Der Mann hat einen roten Faden abseits von faden Genre-Beschränkungen gefunden.
Seine aktuelle Platte „VELD“ nimmt eine Sonderstellung ein. Tatsächlich ist es nämlich seine erste wirkliche Solo-Platte. Entstanden ist die Platte über viele Jahre. O´Sullivan sagt selbst über das Album, das es über die Jahre von 2010 bis 2016 stets in seinem Kopf war, er aber nicht immer die Zeit hatte, intensiv daran zu arbeiten. Angesichts seiner Vielzahl von Engagements kann man ihm das nur schwer verübeln.
Das hat der Platte aber sogar gut getan. Sie klingt entspannt, ein wenig ausufernd und im allerbesten Sinne zerfahren. So klingen Platten, die ohne Zeitdruck aufgenommen wurden und die sich alle Zeit der Welt lassen, um sich zu entfalten. Auch der Hörer dieses Werkes wird zu nichts gedrängt. In den wunderschönen Melodien des Albums kann man sich verlieren. Stattdessen kann man aber den Fokus auch auf die Sounds und Klangideen richten, die sich sich nebenher ereignen und sich nie offensiv in den Vordergrund drängen.
Entspannt und gelassen ist das Album auch auf einer ganz anderen Ebene. Es kümmert sich nicht nur um Genre-Zuschreibungen. An der Oberfläche ist es möglicherweise ein Psychedelic-Pop-Album, der verhallte und verhuschte Gesang erinnert stellenweise an den Solo-Output des Animal Collective Mitglieds Panda Bear. Daneben hört man aber noch Brian Eno Einflüsse. Krautrockiges, wenngleich die Gitarren nicht dominierend sind. Drone-Überbleibsel. Düsterzeugs mit den Mittel des Avant-Folks ausgeleuchtet. So klingt ein Musiker, der sich vollends von Erwartungshaltungen befreit hat und der selbstbewusst zu seiner Musikalität und seiner Vielseitigkeit steht.
Fazit
„VELD“ ist eine hochgradig gegenwärtige und zeitgenössische Platte. Mit wachem Geist saugt Daniel O’Sullivan Einflüsse auf und schöpft aus dem Vollen der Möglichkeiten seiner bisherigen Projekte. Dazu zaubert er wunderschöne, leicht somnambule Melodien, die sich nach und nach öffnen und hängenbleiben.
Es ist eine Platte, die wohl zu komplex und abgefahren für den großen Pop-Mainstream ist, aber Pop-Hörer mit weit offenen Ohren zweifellos faszinieren könnte. Vielmehr ist das aber ein Album für Musik-Liebhaber, die sich einen feuchten Dreck um die im Heute zu eng gewordenen Musik-Grenzen kümmern. „VELD“ ist eine offenes, betörendes Musikabenteuer mit ungewissem Ausgang.
Zum Reinhören
Titelbild: (c) Dawid Laskowski, flickr.com, Bearbeitung: Felix Kozubek