Viele Musiker mögen es als Beleidigung empfinden, wenn man über sie sagt, dass sie die ideale Filmmusik komponieren. Was sagt das denn aus? So unterkomplex, langweilig und konservativ ist ihre Musik, dass sie nur über Bilder gelegt erträglich ist?
Unterkomplex, langweilig und konservativ ist mit Sicherheit das genaue Gegenteil von Lukas Lauermann. Und doch wäre seine Musik wunderbar für Filme – für ganz bestimmte und besondere. Weil es Musik gibt, die sich wie ein Zauber über alles legt und ihm eine Tiefe verleiht, die es vorher nicht hatte. Ohne Musik sind die meisten Filme flach und ohne Stimmung, so wie es auch der Alltag ohne Musik ist. So wie es auch die kühle p.m.k.-Konzerthalle ohne Musik ist. Als Lauermann dort sein neues Album How I Remember Now I Remember How vorstellt, wird sie zu einem anderen Ort.
Das tut er mit wenigen Worten, aber einem ausdrucksstarken Cellobogen. Und dann reicht das Kopfkino auch völlig aus, weil es Musik gibt, die nicht nur Orte aufwertet, sondern auch das Innere des Zuhörers. Sie macht uns besser. Sie holt Dinge aus uns heraus, von denen wir nicht wussten, dass sie da sind. So wie Lauermann Laute aus dem Cello herausholt, von denen wir nicht wussten, dass sie da oder überhaupt möglich sind. Das sind Spiele mit dem Holzkorpus, der sich bereitwillig für Percussion benützen lässt; Spiele mit dem Cellobogen und seinen Saiten, die wieder einmal deutlich machen: Das Schönste kommt immer dann heraus, wenn man respektlos ist.
Woran sich Lauermann auf diesem Album erinnert, ist ein Geheimnis und soll es auch bleiben. Er erinnert jedenfalls alle paar Takte an etwas anderes – da steckt Henry Purcell drin, aber auch John Cage, ein wenig Jazz und vor allem viel Eigenes, noch nie Gehörtes. Das ergibt keinen großen, bunten Haufen, sondern ein feines, minimalistisches Gewebe, dass sich mit viel Leichtigkeit entspinnt und trotzdem einfährt wie Hochprozentiges.
Woran Lukas Lauermann sonst noch erinnert? Jeden Zuhörer an etwas anderes. Das ist seine große Kunst. Wohl, weil es das ehrliche erste Soloalbum eines Musikers ist, der sonst vor allem in Combos und Kooperationen aufgetreten ist – ein warmes, aber zurückhaltendes Album von Person zu Person, unprätentiös, wie Lukas Lauermann auch auf der Bühne ist. Und auch ich bin ganz ehrlich: In dieser Konstellation ist er mir am allerliebsten. Der Lauermann, sein Cello, im Loop und Loop-Loop, bis das eine Instrument mindestens nach einem Quartett klingt, und ein (unverschämt) kleines Publikum, wie in einer Blase, in der die Dinge näher zusammen rücken und die schnöde Welt einmal still sein muss.
Support „LAUTERER_this is not my promo text“ hat das Kino mitgebracht und futuristische Halluzinationen lieber auf die Leinwand projiziert, als sie im Publikum auszulösen. So war Lauterer entsprechend lauter und digitaler als Lauermann – aber Lauermann war auf jeden Fall lauterer. Sein kurzes, intensives Konzert war nicht nur Erholung vom elektronischen Vandalismus vorher, sondern von allem, was wir oft naserümpfend „Alltag“ schimpfen.
Davon abgesehen gehört Lukas Lauermann zu jenen Musikern, wo man nur sagen kann: Hört ihn euch an! In aller Ruhe, aufmerksam, wie er es verdient hat, nicht als Hintergrundrauschen oder zur reinen Entspannung. Hört ihn euch an. Mehr sage ich nicht. Manche Dinge darf man nicht kaputtreden.
Titelbild: (c) Markus Stegmayr