Menschen bewegen sich überwiegend in Blasen. In diesen gibt es gemeinsame Denkgrundlagen, Wahrheiten und Sicherheiten. Ebenso ist es bei der Musikrezeption. Alben, von den richtigen Plattformen, Magazinen und Menschen positiv besprochen, bekommen das Prädikat hörenswert umgehängt oder werden dadurch überhaupt erst genauer auf ihre Besonderheit hin angehört.
Das ist nur logisch. Die kontext- und vorurteilsfreie Musikrezeption ist schließlich eine Illusion. Sich völlig filterlos durch sämtliche Musik-Veröffentlichungen zu hören ist nicht nur in Sachen Zeitaufwand eine völlige Aufforderung der eigenen Möglichkeiten. Es ist auch davon auszugehen, dass in der Vereinzelung des Hörens ohne Kontext Hörenswertes und Herausragendes in der schieren Überfülle untergeht.
Nicht zuletzt ist Musik nämlich auch Gemeinschaftserlebnis. Das frühere gemeinsame Hören von Album-Neuveröffentlichungen mit Freunden an der heimischen Stereoanlage ist dabei zunehmend ins Internet verlagert worden. Online-Streams am Veröffentlichungstag, Live-Premieren auf You-Tube oder ähnliche Phänomene gehören ebenso zum Musikhöralltag wie der Austausch in Kommentarforen über das gerade Gehörte.
Auch der nach Unabhängigkeit und nach Hör-Einsamkeit strebende Musikliebhaber kann sich dieser Dynamik wohl kaum entziehen. Es ist schön beim Entdecken von interessanten Aspekten von Alben und Liedern nicht allein auf weiter Flur zu stehen und in der eigenen Wahrnehmung zum Teil unterstützt und untermauert zu werden.
Problematisch wird es nur, wenn diese Online-Blasen zum dominierenden Aspekt in der eigenen Hör-Arbeit wird, beziehungsweise man dieser erlaubt einem diese lustvolle „Arbeit“ abzunehmen. Dann lenkt der soziale Austausch über Musik-Werke nicht nur hin zu konkreten, womöglich besonders bemerkenswerten Aspekten des Musikstücks und des Gesamtwerks, sondern führt zu a priori Urteilen.
Dann ist ein Album nur gut, wenn es in den richtigen Kreisen diskutiert und als gut befunden wird, dann sucht man bei Musik, die nicht in diesen Kontexten stattfindet, automatisch das Schlechte oder sucht, noch schlimmer, überhaupt erst gar nicht danach.
Die genrefluide Musikrezeption bleibt damit ein wohl nie vollständig erreichbares Hör-Ideal. Was aber gelingen kann: Das Vertrauen auf die eigene Hörerfahrung und die Zusammenschau der Diskussion in den jeweiligen Blasen. Auch Kontextualisierung kann helfen: Wer reagiert warum und wie auf ein Stück Musik, was sind die jeweiligen Voraussetzungen und Erwartungshaltungen der Gruppen? Und dann gilt: Die Lust zum und beim Hören muss zentral sein. Dann fallen Genre-Grenzen und Begrenzungen fast schon automatisch.