Am kommenden Samstag, dem 27. April 2023, findet um 20 Uhr im Haus der Musik in Innsbruck wieder ein ganz besonderes Konzert statt. Und zwar jenes der Stadtmusikkapelle Innsbruck – Mariahilf / St. Nikolaus.
Im folgenden Interview verraten Stefan Gritscher (Kapellmeister) und Thomas Geineder (Kapellmeister Stv.) das eine oder andere Geheimnis rund um die Programmauswahl.
Lieber Stefan, lieber Thomas, könnt ihr uns gleich zu Beginn verraten, was das diesjährige Konzert besonders macht?
Tom: Die Innsbrucker Promenadenkonzerte, bei denen wir heuer im Juli auftreten dürfen, haben das Frühjahrskonzert stark beeinflusst. Der Schwierigkeitsgrad ist besonders hoch. Wenn man „Cinema on Stage“ hinzuzählt, spielen wir im Frühjahr drei große Konzerte innerhalb weniger Wochen. Da müssen wir Synergien nutzen und uns nach der Decke strecken.
Stefan: Bei den Promenadenkonzerten gibt es Richtlinien, was den Anteil österreichischer Musik betrifft. Diese Tradition ist über all die Jahre dort erhalten geblieben, was schön und gut ist. Aufgrund dessen spielen wir heute unter anderem „Die Lustigen Weiber von Windsor“ und den Einzugsmarsch aus dem „Zigeunerbaron“.
Gleich zu Beginn gibt es „Die schöne Galathée“ zu hören. Warum?
Stefan: Diese Ouvertüre verbreitet reinste Champagner-Laune. Man hört fast die Korken knallen. Der ideale Einstieg in ein Konzert – besser als jede Fanfare. Zur Entstehungszeit war Offenbachs „Schöne Helena“ in Wien ein Riesenerfolg. Deshalb hat der Komponist Franz von Suppè sich ebenfalls eines antiken Stoffes als Vorlage bedient: Der Bildhauer Pygmalion verliebt sich in eine Frauenstatue, die er selbst geschaffen hat. Die Göttin Aphrodite erhört seine verzweifelten Gebete und erweckt die Statue zum Leben. Pygmalion ist zunächst überglücklich, muss aber bald erkennen, dass innere und äußere Schönheit sich nicht unbedingt decken. Galathée treibt es so bunt, dass Pygmalion sie wieder zur Statue retour verwandeln lässt und diese anschließend verkauft. Wenn man genau hinhört, hat Franz von Suppè viel von diesem Handlungsverlauf bereits in seiner Ouvertüre vorweggenommen. Die Hornrufe, die Aphrodite beschwören, ihr Erscheinen. Das Thema der zum Leben erweckten Galathée betritt zum ersten Mal strahlend schön und verführerisch, tänzelnd in einem Hauch von französischem Parfum die Bühne. Was folgt ist ein Chaos aus Streitereien, Eifersüchteleien und Ränken, das sich erst mit dem neuerlichen Auftritt des Galathée-Themas wieder beruhigt. Sie triumphiert damit, aber ihre Metamorphose ist nicht zu überhören – voluminös dürfen ihr Thema diesmal die Posaunen interpretieren.
Wieso habt ihr euch für „Die Lustigen Weiber von Windsor“ entschieden?
Stefan: Das Stück passt einfach hervorragend zu unserer Musikkapelle. Die Leute spielen es irrsinnig gerne. Es ist aufregend, märchenhaft, melodisch, mit einer Prise Sommernachtstraum von Mendelssohn.
Tom: Es verlangt von den Musikern eine hohe Virtuosität. Man hat jedoch das Gefühl, dass sich diese Virtuosität auch auszahlt. Es bleibt nicht bei einer reinen Technikübung – es steckt viel Empfinden und Sinn dahinter.
Ein weiteres Highlight ist das Trompetenkonzert. Wie kam es dazu?
Stefan: Das Konzert von Alexander Arutiunian ist ein besonderes Projekt, das Daniel Ostheimer sich gewünscht hat. Er ist seit 11 Jahren unser erster Trompeter und wird uns bald verlassen, da er mit seiner Familie in die Nähe von Bad Reichenhall zieht. Dies verleiht dem Konzert eine wehmütige Note.
Tom: Es ist selten, dass ein Solokonzert so orchestral konzipiert ist und sich Orchester und Solist quasi als gleichwertige Partner gegenüberstehen. Das Stück ist ein stilistischer Ausflug für uns und hebt sich deutlich von unserer üblichen Literatur ab, weil es klare Anleihen aus der armenischen Volksmusik hat.
Tom, du spielst eines der Instrumente, das mit der Solotrompete im musikalischen Dialog steht. Was macht das so reizvoll?
Tom: Der Dialog mit der Trompete ist spannend und unerwartet, da man in einem Solokonzert normalerweise eher im Hintergrund bleibt. Es ist zudem sehr herausfordernd, da die Trompete einen Dämpfer hat, was einen starken Kontrast zum voluminösen Tenorhorn bildet. Wenn ich wollte, könnte ich dem Solisten quasi die Show stehlen! (lacht)
Wieso spielen wir „How the West Was Won“?
Stefan: Früher haben wir im Probelokal oft Filmabende veranstaltet. Klar, dass da die Filmmusik immer eine wichtige Rolle gespielt hat. „Das war der wilde Westen“ war da auch mit dabei. Dieser Film ist an sich schon etwas Besonderes, da er in Cinerama gedreht wurde – einem Breitwandverfahren mit 3 Projektoren, bei dem die Leinwand das komplette Sichtfeld des Zuschauers ausfüllen sollte. Das 170-Minuten Epos begleitet das Schicksal der Einwandererfamilie Prescott, deren Töchter im amerikanischen (Wilden) Westen alles erleben, was dazu gehört – Naturkatastrophen, Indianerangriffe, Bürgerkrieg, Banküberfälle. Die Musik dazu stammt von Alfred Newman, einem der ganz großen Komponisten von Hollywood. Die meisten kennen von ihm nur die „20th Century Fox Fanfare“. Sein musikalisches Hauptthema für „How the West Was Won“ fasst alles zusammen – Aufbruchsstimmung, Pioniergeist. Es gibt sogar eine besinnlich- religiöse Stelle. Da hört man fast Bach durch.
Tom: Für mich persönlich ist es DAS Western-Thema schlechthin.
Was gibt es über „My Cousin Rachel“ zu sagen?
Stefan: Das Stück war schon lange ein Wunschprojekt von mir. Ähnlich wie bei der schönen Galathée geht es inhaltlich um eine an Obsession grenzende Liebe. Rachel ist eine geheimnisvolle, unberechenbare Frauengestalt, die jeden in ihren Bann zieht. Franz Waxman fängt diese hypnotische Anziehungskraft in seinem Hauptthema wunderbar ein. Mit wechselnden Schwerpunkten windet es sich chromatisch wie eine Schlange dahin. Alles kommt immer anders als erwartet. Es ist eine intensive Musik, auf die man sich einlassen muss, die gleichzeitig vom Orchester viel fordert.
Tom: Man muss das Stück erst verstehen. Das geht nicht vom Blatt.
Wie kam es zum „Superman March“?
Stefan: Das ist eine persönliche Geschichte. Unser Klarinettist Lukas Greiter hat vor zwei Jahren geheiratet. Beim Brautnachtspielen meinte eine unserer Musikerinnen, dass es eigentlich nicht fair sei, nur bei der zukünftigen Braut zu spielen. So sind wir noch am selben Abend zum Bräutigam und hätten eigentlich, thematisch richtig, den Superman March spielen sollen. Das war dann zu spontan, es wurde ein anderer. Doch heute holen wir das nach.
Was steckt hinter dem Ensembleauftritt?
Tom: Es ist schön, dass unser interner Ensemblewettbewerb „Spiel in kleinen Gruppen“ wieder zurück ist. Corona hat das ja gestoppt und danach ging es erst wieder langsam los. Heuer waren wieder sieben Gruppen am Start. Dabei ist das Musizieren in kleinen Besetzungen extrem wertvoll, weil sich die einzelnen Musiker musikalisch sehr stark weiterentwickeln können. Und wie es die Tradition verlangt, tritt das Siegerensemble beim Frühjahrskonzert auf.
Was ist in diesem Jahr für euch DER musikalische Moment?
Stefan: Wenn die Göttin Aphrodite in „Die schöne Galathée“ erscheint und die kalte Statue zu blühendstem Leben erweckt. Hier wird es himmlisch-olympisch-schön.
Tom: Mir geht es gut, wenn wir den Superman March geschafft haben. Das Hauptthema ist unglaublich bekannt, sehr heroisch und plakativ, hart an der Grenze zum Trivialen. Dabei spielt sich rund um dieses Thema noch viel mehr ab. Wenn man genau hinhört, was die Holzbläser im Hintergrund da so treiben… dann wird es erst richtig spannend.
Programm 2024
- Franz von Suppe, „Schöne Galathee“ Overtüre
- Walter Piston, „Trio“
- Arutiunian, „Trompetenkonzert“
- John Williams, „Superman March“
- Alfred Newman, „How the West was Won“ Overtüre
- Otto Nicolai, „Die Lustigen Weiber von Windsor“ – Overtüre
- Franz Waxman „My Cousin Rachel“ Suite
- Johann Strauss jr., „Einzugsmarsch“ aus dem „Zigeunerbaron“