Gute Voraussetzungen für Yarah Bravo. Und: Ihr Auftritt wurde für mich zum absoluten Highlight! Grandiose, urbane Musik, die sich wirklich ernst nehmen lässt. Ganz einfach weil die doch physisch eher kleine Rapperin und Sängerin ganz groß ist, wenn es um Musikalität, Flow und Originalität geht. Ein bisschen Lauryn Hill und Erykah Badu war zu hören. Aber eben auch Nina Simone und generell ein bisschen mehr Vergangenheit als bei den vorherigen Acts. Bravo bediente sich virtuos aus der Musikgeschichte und durchmischte das alles kräftigst mit der heißesten Scheiße, die in Sachen Beats in heutigen Großstädten möglich war. Grandioser Auftritt!
Beim nächsten Acts fiel alles wieder zurück in zwar gefällige, aber doch beliebige Indie-Pop-Rock-Nettigkeit. Diese Band tat garantiert niemanden weh, spielte auch schön ihre melancholisch und groovigen Songs. Für mich aber war es Zeit zu gehen. Ich hatte ab diesem Zeitpunkt nämlich nicht mehr das Gefühl etwas zu verpassen.
Was ist also das Fazit dieses Musik-Wochenendes? Unter Umständen, dass doch alles ein wenig kompliziert und komplexer ist, als so mancher wahrhaben möchte. Möglicherweise auch, dass es gerade die musikalische Vielfalt ist, die Innsbruck und Umgebung auszeichnet. Der Großraum Innsbruck schafft es immerhin, an zwei Tagen die großartigen „Scherzi Musicali“ auf die Bühne zu bringen, ein überraschenden Blasmusik-Platzkonzert auf musikalisch hohem Niveau zu bieten und außerdem auch noch zu zeigen, wohin sich die Stadt in Sachen Subkulturen und Urbanität in nicht allzu ferner Zukunft entwickeln könnte.
Ich möchte damit eines ganz klar sagen: Innsbruck soll nicht Berlin werden! Innsbruck hat eine Tradition in Sachen „Alte Musik“, auf die ich nur ungern verzichten möchte. Auch in Sachen Blasmusik gibt es in Innsbruck und in Tirol generell ein paar Sachen, die mir fehlen würden. Würde alles nur aus Subkultur und vermeintlicher Urbanität bestehen, würde künstlerisch und musikalisch ganz schön viel fehlen.
Der Punkt ist damit: Innsbruck ist eine „coole“ Stadt. Eben weil sie nicht den Fehler macht, nur mehr junge, gegenwärtige und alternative Veranstaltungen zu unterstützen und zu fördern. Vielleicht ist es nicht die Stadt, die sich bewegen muss, sondern der manchmal ein wenig eindimensionale Geschmack der sogenannten „jungen Leute“ in Innsbruck? Es lohnt sich nämlich, wenn man schon mal in Innsbruck lebt, sich nicht nur in den alternativen Subkulturen zu bewegen, sondern sich auch ein Konzert mit sogenannter „Alter Musik“ anzuhören. Auch die anstehenden „Innsbrucker Promenadenkonzerte“ im Innenhof der Hofburg bieten zum Teil großartige Musik an.
Innsbruck hat dabei ein Problem: Es ist wenig Platz da. Kein Wunder daher, dass sich gegenläufige künstlerische Weltanschauungen bekriegen und sich um Subventionen und Geld streiten. Und ein paar Euro mehr würde ich der Off-Szene durchaus gönnen. Auch die lokalen Musiker haben sich verstärkt Unterstützung verdient.
Ich bin sicher, dass sich damit das musikalische Niveau der Musikerinnen und der Veranstaltungen noch deutlich erhöhen würde. Damit würden dann all diese Ebenen auf einem ähnlichen künstlerischen Niveau stehen: „Alte Musik“, Blasmusik und die gegenwärtige Alternativ-Kultur. Das wäre es dann was, meiner Meinung nach, Innsbruck auszeichnet und in Zukunft noch verstärkt auszeichnen könnte.
Wir müssen uns nicht zeigen lassen, wie Innsbruck München werden könnte. Oder gar Berlin. Wir müssen uns nur darauf konzentrieren, was Innsbruck einst war, geworden ist und in Zukunft sein könnte. Eine Symbiose aus all diesen Elementen und eine verstärkte Verteilungsgerechtigkeit der Subventionen und schon haben wir es geschafft: Innsbruck ist eine vielfältige Stadt geworden, in der viele verschiedene Musikformen bestens Platz haben und zusammen das typische Innsbruck-Flair ausmachen.
Innsbruck – Quo vadis?
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Elfenbeinturmbewohner, Musiknerd, Formfetischist, Diskursliebhaber. Vermutet die Schönheit des Schreibens und Denkens im Niemandsland zwischen asketischer Formstrenge und schöngeistiger Freiheitsliebe. Hat das ALPENFEUILLETON in seiner dritten Phase mitgestaltet und die Letztverantwortung für das Kulturressort getragen.