Und jährlich grüßt die Jagdsaison

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Die Natürlichkeit des Jagens

Die Jagd wird gern im selben Atemzug mit Begriffen wie „Naturverbundenheit“ euphemistisch erwähnt und legitimiert. Inwiefern ist der Jäger naturverbunden? Erstens: Der Mensch hat in die natürliche Natur immer schon gestaltend eingegriffen, indem er sie von sich her denkt und für seine Zwecke miss- bzw. verbraucht. Natur ist also immer schon eine Form von Kultur, etwas Menschengemachtes. Zweitens: Ein Schießen auf ein lebendiges Tier aus sicherer Distanz hat jegliche Fairness eingebüßt, die mit einer vermeintlichen „Natürlichkeit“ der Sache einhergehen würde. Drittens: Der Jagdpraxis liegt eine künstliche Regulation zugrunde, die als solche somit nicht mehr in den Modus des „Natürlichen“ fällt. Mehr dazu im nächsten Punkt.

 Die Regulation der Wildbestände

Die Jägerschaft will sich als Hüterin der Wälder und des Wildbestandes verstehen, die durch das periodische Schießen von Wild den Bestand in Schach zu halten versucht und somit für das ökologische Gleichgewicht sorge. Die Fütterung diene als Zweck, den Wildtieren in Notzeiten über die Runden zu helfen. So das Argument. Tatsächlich hingegen wird der Bestand künstlich gefördert (Hege) bzw. dezimiert, um eine Erhöhung des Jagdertrages zu erzielen. Durch die Abschüsse werden die Bestände weniger reguliert, als dadurch hoch produktiv gehalten. Ein kurzer theoretischer Exkurs, um das Gesagte zu verdeutlichen: Mit dem Anwachsen des Bestandes sinken die Überlebenschancen, da Lebensraum sowie Nahrung knapper werden. Umgekehrt steigen sie, wenn die Umweltkapazität mehr Individuen aufnehmen kann. Das ist der natürliche Regulationsprozess, der das Anwachsen der Bestände in Schach hält und wovon abhängt, wie groß die Bestände werden können – ein Wechselspiel von Nachwuchsrate und Verlustrate. Dagegen die Rate der Verluste, bedingt durch natürliche Feinde, Krankheiten und altersbedingtes Sterben. Was die Jagd also tut ist die Erhöhung der Verlustrate für die anhaltende Produktivität, wobei sie den Zuwachs auch durch Hege fördern kann bzw. indem sie die natürlichen Feinde kurz hält.

Töten

Jagen bedeutet töten. Und zwar nicht das Töten für den Zweck des Überlebens, auch wenn das vielzitierte „Steinzeitargument“ oft und gern herangezogen wird. De facto haben wir in unseren Breiten wenig bis nichts mehr mit dem Jagdverhalten des Mannes vor Tausenden von Jahren zu tun, denn die Bedingungen heute sind ganz einfach andere. Vielmehr geht es beim Jagen um ein Überlegenheitsgefühl und Beherrschungsstreben. Bei der Jagd als solche handelt es sich um ein Dominanzverhältnis, das eine Kultivierung von Grausamkeit und Brutalität mit sich bringt.

Leiden

Da viele Jäger und Hobbyjäger trotz (jahrelanger) Übung die Tiere oft nur anschießen, anstatt sie zu erschießen, erleiden die Tiere Qualen, wovon sie besser gleich befreit hätten werden sollen. Zu einer Lust am Jagen, die von Vornherein ethisch verwerflich ist, kommt eine Unfähigkeit seitens der Jäger hinzu. Jagd als deklarierter Sport erhält durch diese Tatsache ihre Lächerlichkeit auf allen Ebenen zurück, da das Prinzip von Sport einerseits das Verbleiben auf gleicher Augenhöhe beider Teilnehmer ist, andererseits durch Fairness ausgezeichnet ist. Es bedarf mehr als einer Person, um zu entscheiden, was als fair gilt und wo es sich hier um Fairness handelt, bleibt eine offene Frage. Inwiefern eine Verteidigung der Jagd nicht auch eine Praxis des Krieges und Tötens rechtfertigt, kann als Anstoß zur Reflexion seitens derer dienen, die ihrer „Lust am Jagen“ am jährlich stattfindenden Jägerball zelebrierend Ausdruck verleihen.

Titelbild: Günter Hommes  / pixelio.de
Anmerkung der Redaktion: Wir sehen das ALPENFEUILLETON als Online-Magazin mit dem Anspruch möglichst viele, unterschiedliche Blickwinkel einzufangen und mit Mut zur Debatte. Aus diesem Grund haben wir selbstverständlich bereits Kontakt zum Landesjägermeister von Tirol aufgenommen. Mit ihm werden wir über die Jagd an sich, ihre Geschichte, ihre Techniken und ihren Wert sprechen. Das Ergebnis wird in den kommenden Wochen hier auf afeu.at veröffentlicht.

 

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