„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“, ist ein unendlich oft verwendetes Zitat von Mathias Claudius. Dass sich seit Claudius‘ Zeit einiges am Reisen geändert hat, macht es meines Erachtens notwendig eine Modifikation vorzunehmen. Der Vorschlag für die neue Variante in Zeiten des Massentourismus und der ultimativ mobilen Menschheit lautet: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben.“ Dies könnte nun fälschlicherweise als etwas Positives verstanden werden. Die Wahrheit ist jedoch, dass es sich hier um eine Drohung handelt, so wie auch der Satz des Vaters an den Sohn „Junge, jetzt kannst du was erleben“ eine Drohung und keine Vorbereitung auf ein freudiges Ereignis darstellt.
In letzter Zeit hatte ich öfter das Vergnügen zu verreisen und musste feststellen, dass der in Aussicht gestellte Genuss eines Aufenthalts an einem unbekannten Ort, das Treffen von lang vermissten Freunden oder die Rückkehr von einer Reise mit einem beruflichen Erfolg in der Tasche, sehr stark unter der beschwerlichen Anreise leidet. Mag eine Bahnfahrt in der ersten Klasse noch erträglich sein, so ist es eine Flugreise, da die erste Klasse unleistbar ist, nicht.
Speziell das Reisen per Flugzeug steht unter einer ganz eigenartigen Entwicklung. Das Ergebnis der Preisschlacht der letzten Dekade hatte zwar eine massive Vergünstigung im Flugreiseverkehr zur Folge, doch auch eine konsequente Verschlechterung in Punkto Stil und Bequemlichkeit. Gerade das Phänomen, dass die Menschen immer größer werden, wird von den Fluglinien mit einem gegensynchronen Prozess des Schrumpfens des Platzangebotes beantwortet. Das ehemals privilegierte Reisen über den Wolken mit stolzen Piloten, bildhübschen viersprachigen Stewardessen und einer Zigarette nach dem Bordmenü bestehend aus Steak und Rotwein, hat inzwischen nur noch den Charakter einer fliegenden Imbissbude. Dies ist natürlich nicht nur jedem Fluggast bewusst, sondern auch den Fluggesellschaften, die dem durch mehr oder weniger lächerlichen Maßnahmen entgegenwirken wollen. So bekommt man zu seinem, bei Linienflügen immer noch kostenlosen, 0,1 Liter Getränk im Pappbecher eine schicke Serviette daruntergelegt. Die Funktionalität dieser Serviette ist außer für die sie produzierende Papierindustrie und die sie entsorgende Müllindustrie nicht ersichtlich. Lohnt sich das? Wohl kaum!
Boris Sebastian Schön hat noch kein Buch geschrieben, welches hier beworben werden könnte. Aber er geht mit offenen Augen und Ohren durch die Welt und ist immerhin Mitgründer des ALPENFEUILLETON. Die „Lohnt sich das“-Kolumnen sind seine ersten AFEU-Veröffentlichungen.