Mit der Fernsehwerbung ist es so eine Sache. Trotz der Lawine von schlechter bzw. enervierender Werbung, die über einen hinwegrollt, bin ich durchaus ein Fan geblieben. Dabei ist die innovative, lustige und intelligente Werbung, die etwa alljährlich in Cannes mit Löwen prämiert wird, eher mein Favorit.
Doch kann ich auch der Form von Werbung, die besonders durchschaubar und dümmlich wirkt, etwas abgewinnen. So erfreuten sich über viele Jahre die Fernsehspots für eine bestimmte Praline großer Beliebtheit bei mir. Um hier keine Produktnahmen zu nennen: die Praline ist gefüllt mit einer „Piemont-Kirsche“ (diese Kirschsorte gibt es nicht) und hat im Namen eines der beiden Wörter des Udo Jürgen Songs „Merci, Chéri“. Es gab drei wesentliche Varianten der Pralinenwerbung im Fernsehen.
Variante eins waren Kurzinterviews auf der Straße. Passanten wurden gefragt, warum die Praline erst wieder im September im Handel erhältlich sei. Diese waren dann entweder ratlos oder davon überzeugt, dass es sich um eine Maßnahme des Herstellers handelt, um die besondere Qualität und frische des Produkts zu gewährleisten. Diese These wurde anschließend vom Hersteller bestätigt.
Die zweite Variante begleitete eine Kirschexpertin mit italienischem Namen, die einer ganz besonderen Tätigkeit nachgeht. Sie besucht, meist mit einem roten Kostüm bekleidet, weltweit (also nicht unbedingt im Piemont) Kirschplantagen und prüft durch orale Aufnahme der Kirsche die Qualität. Damit garantiert das Unternehmen, dass nur die allerbesten Früchtchen in der Praline landen.
Die dritte Variante war die spannendste. Ein Pärchen befindet sich im Wohnzimmer. Der Mann erwartet den Besuch einer Herrenrunde. Die Frau ist mit den kulinarischen Vorbereitungen beschäftigt und erwähnt, dass sie auch etwas zum Naschen für die Freunde des Mannes bereitgestellt hat. Dieser belehrt seine offensichtlich naive Frau mit der Aussage: „Aber Schatz, meine Freunde naschen doch nicht.“ Sie reagiert mit einem wissenden Blick. Am Ende des Abends, die Herrenrunde ist bereits gegangen, inspiziert die Gattin die bereitgestellte Schale mit den Pralinen und entdeckt bloß noch eine einzige. Mit einem leicht schmunzelnden Unterton wendet sie sich an ihren Mann: „Ich dachte deine Freunde naschen nicht.“ Woraufhin dieser sie abermals belehrt: „Aber (Produktname) ist doch nicht irgendwas zum Naschen“ und stopft sich die letzte Praline in den Mund.
Eine andere Werbung mit ähnlich konstruierter Szenerie, doch verkehrten Geschlechterrollen, gab es von einem Instantkaffeeproduzenten. Bei einem jungen Paar sind die Eltern der Frau zu Besuch. Nach dem Essen wird Kaffee angeboten und der Vater, der offensichtlich ein besonders kritischer Gourmet ist, wünscht einen Espresso. Aus Ermangelung einer Espressomaschine wird die Tochter nervös, doch der Schwiegersohn geht mit wissendem Blick in die Küche und bereitet einen Espresso, wie man sich denken kann, aus Instantkaffee zu. Es folgt ein Kameraschnitt und man sieht den feinzüngigen Vater, wie er seinen Espresso kippt und mit Kennermiene das Urteil spricht: „Ein richtiger italienischer Espresso.“ Lohnt sich das? Da ich inzwischen Besitzer einer fast vollen Dose Espresso-Instantpulver bin, wohl ja.
Boris Sebastian Schön hat noch kein Buch geschrieben, welches hier beworben werden könnte. Aber er geht mit offenen Augen und Ohren durch die Welt und ist immerhin Mitgründer des ALPENFEUILLETON. Die “Lohnt sich das”-Kolumnen sind seine ersten AFEU-Veröffentlichungen.