Am vergangenen Wochenende war ich wieder einmal als Schreiberling gebucht. Für ein Ereignis, das seinesgleichen sucht. In ganz Europa gibt es eigentlich nichts Vergleichbares. Weder in der Größe, noch vom Programm.
Wer so ein Event der Sonderklasse sehen will, der muss schon einmal mit dem Flugzeug in Richtung USA fliegen oder sechs Stunden mit der ÖBB verbringen. So lange dauerte zumindest meine Zugfahrt von Innsbruck aus. Aber was nimmt man nicht alles auf sich, um von der Peripherie, zum Nabel der Welt zu gelangen? Und da der Nabel bekanntlich unterhalb von Herz und Hirn liegt, ging es mit dem Zug in Richtung Süden, genauer gesagt, Süd-Osten, der Sonne entgegen. Zeltweg war zwei Tage lang Mekka. Mekka für Flugenthusiasten und Kraft-Fetischisten. Ein nicht unumstrittenes Event, aber dazu jetzt mehr.
Meine Ankunft fiel nicht gerade in die Kategorie geglückt. Ganze drei Mal durfte ich das Gelände umrunden, bis ich am richtigen Eingang stand. Wo bei einem normalen Festival Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma stehen und dir den Weg weisen, stehen bei dieser Veranstaltung stramme, junge Männer in oliv-grünen Uniformen. Als überzeugter Pazifist und Kriegsdienstverweigerer, heute nennt man das ja weniger heroisch, untauglich, für mich eine völlig neue Erfahrung. So nahe wie hier in Zeltweg, war ich militärischen Personen zum letzten Mal im Kino, bei einem Film, dessen Namen ich längt schon wieder vergessen habe. Eine eigenwillige, aber immerhin spannende Erfahrung.
Amerikaner, zumindest jene Hälfte, die Land, Wiese und Eigentum gerne selbst verteidigt, empfinden die Anwesenheit von Waffen ja als beruhigend. An diesem Wochenende spürte ich recht deutlich, dass ich weder Amerikaner, noch Republikaner bin. Schusswaffen, auch wenn sie von freundlichen jungen Herren, die gerade ihren Grundwehrdienst absolvieren, getragen werden, machen mich nervös. Gut, dass an einem Eventwochenende immer viel zu tun ist. Abgesehen davon war ich von den Manövern am Himmel dermaßen beeindruckt und abgelenkt, dass für langes Unbehagen kaum Zeit war. In meiner Faszination war ich einfach nur glückselig.
Jedenfalls bis zu dem Moment, als auf Facebook mein ehemaliger Religionsprofessor einen Text veröffentlichte, der meiner Anfangseurphorie, ob der fliegerischen Präzisionsarbeit am Himmel, kurzzeitig einen Sturzflug bescherte. Von Steuergeldverschwendung und Rüstungsindustrie war da die Rede. Auch Umwelt-Aspekte wurden angeführt. Plötzlich war ich angetriggert. So schön die Formationen am Himmel auch flogen wurden, die Maschinen die über unseren Köpfen donnerten, waren ursprünglich nicht für unser Vergnügen, sondern für unseren Tod gebaut. Naja, nicht direkt für unseren Tod, aber für den von Menschen. Das dort oben waren Kriegsmaschinen, denen wir zujubelten. Ein schräger Gedanke, der jedoch schnell wieder ver… schwunden war, die Arbeit rief.
Nach erfolgreicher Beendigung der Veranstaltung kamen die Gedanken wieder. Bis heute sind sie geblieben. Muss ich mich für meine Faszination, für meine Begeisterung schämen? Muss ich als aufgeklärter Mensch mit Zugang zu Bildung, als Pazifist und Menschenfreund kritischer sein? Muss ich das Spektakel hinterfragen oder gar verneinen? Darf ich das überhaupt gut finden? Ich sage JA!
Klar darf ich das gut finden. Die Faszination für das Fliegen ist so alt, wie der Mensch selbst. Nur logisch, dass auch aus den männlichsten der männlichen Männergesichter, staunende, strahlende Kinderaugen blitzten und die Massen jubelnd, langgezogene „Ohhhs“ und „Ahhhs“ stöhnten. Das hat schon alles seine Logik und Berechtigung.
Dennoch ist es gar nicht so einfach, sich auf eine klare und eindeutige Meinung festzulegen. Hier waren Flugzeuge die Stars, Flugzeuge, die für den Krieg gebaut wurden. Aber eben auch Piloten und Sportler, die unglaubliche Fähigkeiten bewiesen haben. Die Veranstaltung kostet unglaublich viel Geld. Das kann man als Verschwendung, aber auch als Investition in eine „ruhigere“ Region sehen. Was bei den meisten Flugzeugen hinten rauskommt, dürfte für die umliegende Natur nicht gerade der beste Dünger sein. Den Schaden kann ich leider nicht einschätzen. Dagegen halten 300.000 Besucher an nur zwei Tagen, in einer Region, deren Highlight sonst darin besteht, dass man von hier aus recht schnell nach Graz und Klagenfurt kommt.
Die Welt besteht mal wieder nicht aus Schwarz und Weiß. Dabei ist der Fall für mich so eindeutig, so klar. Ich wünsche mir eine Welt in der es keinen Krieg gibt und es folgerichtig auch keine Kampfjets braucht. Tausche Flugshow gegen Weltfrieden! Abgesehen davon finde ich Militär-Werbung unglaublich befremdlich. Bis vor kurzem war ich da auch ziemlich rigoros. Menschen die sich oliv-grün kleiden, Waffen tragen und gerne damit hantieren, waren für mich ein absolutes No-Go, eine fremde Welt. Seit diesem Wochenende ist die Welt ein wenig näher gerückt. Ein ganz klein wenig. Und ich bin ein Fan davon, wenn so etwas passiert, wenn man sich Dinge ansehen kann, aus nächster Nähe. Das nimmt oftmals das Abstrakte, gibt ihm eine menschliche Note. Danach kann man noch immer alles scheiße finden, aber wenigstens begründet.
Neben den (wirklich!) wunderschön anzusehenden Flug-Manövern und den sportlichen Wahnsinnsleitungen der Athleten, ist das vielleicht der dritte große Punkt, wieso ich dieses Event nicht per se verteufeln muss und sie ruhig, in gewissen Bereichen, gut finden darf. In einem todbringenden Flugzeug oder Panzer sitzen Menschen, Menschen, die eine harte Ausbildung hinter sich gebracht haben, Menschen mit Fähigkeiten, Menschen mit Gesichtern. Wenn ich heute vor dem TV sitze und die vielen hässlichen Bilder aus diversen Krisengebieten sehe, bin ich wieder stärker betroffen, als noch vor ein paar Wochen. In mir hat sich wieder etwas getan. Ich denke das ist gut so.
Abgesehen davon, ist es mir lieber, die Kriegsfllugzeuge fliegen schöne Loopings. In der Zwischenzeit können sie nicht viel anrichten. Ob das die Welt zu einem besseren Ort, ganz in Frieden macht? Wahrscheinlich nicht. Aber hey, in Österreich verleihen Bullen ja auch Flügel, wieso also nicht?
Hier geht es zur vorherigen Folge von „Kleingeist und Größenwahn“.