Ich konnte es nicht mehr erwarten, dass der Sonntag (04.12.) vorüberging und dieser leidige Wahlkampf endlich ein Ende fand. Alles wurde in den zwölf Monaten zuvor von jedem bereits gesagt – und zwar mehrmals. Wie es dennoch sein konnte, dass jeder zehnte Wahlberechtigte noch unentschlossen war, hat mich vor dem Wahltag sehr beschäftigt.
Das hat dazu geführt, dass ich vielen meiner Mitmenschen ordentlich auf die Nerven gegangen bin, da ich keine Gelegenheit ausgelassen habe, unentschlossene Wähler zu finden. Und tatsächlich – ich konnte einige finden und spannende Gespräche führen. Fast alle haben mir bestätigt, dass sie sich eigentlich schon sicher waren, wem sie ihre Stimme geben werden, sich nun aber doch nicht mehr entscheiden können. Die genannten Gründe dafür waren sehr vielfältig, haben aber fast alle einen gemeinsamen Nenner: den Wahlkampf.
Negativer Overload
Besonders oft hörte ich Sätze wie „Ich hab genug von dieser Streiterei“ oder „Ich kann das ganze Negative nicht mehr hören“. Mein eigener Blick auf den Wahlkampf bestätigte diese Wahrnehmung. Ein Kandidat wollte verhindern dass noch mehr asylsuchende Menschen und Immigranten nach Österreich kommen, der andere wollte verhindern, dass sich Österreich abschottet. Der eine Kandidat traute dem anderen das Amt nicht zu, weil er zu alt und vergesslich ist, während dieser wiederum seinem Kontrahenten nicht zutraute Österreich in der Welt zu vertreten, weil er rechtsextrem ist. Das kommunizierte Ziel war immer eine Verhinderung. Viel negativer konnte man eine Wahlauseinandersetzung gar nicht führen.
Promis als Stimmungsmacher
Diverse Medien trugen ihren Teil zu dieser Grundstimmung bei, indem die negative Argumentation noch weiter zugespitzt wurde und besonders Prominente fast dazu gezwungen wurden eine Präferenz bzw. eine Wahlempfehlung für einen Kandidaten abzugeben. Das führte soweit, dass manche sogar einen Wahlkampf von Reinhard Fendrich gegen Andreas Gabalier sehen wollten– eigentlich pervers.
Der Druck der durch diesen Spin einer „Richtungsentscheidung“ auf die Menschen ausgeübt wurde, ließ eine rationale Auseinandersetzung kaum mehr zu und auch die Gefühlslage reichte bei den Menschen von Unsicherheit über Angst bis hin zu Hass – ein gefährlicher Cocktail.
Was nun?
Eines ist uns wohl allen klar: So darf und kann es nicht weitergehen! Es ist dringend notwendig, dass wir zu einer anderen Form der politischen Auseinandersetzung kommen.
Inhaltlich heißt das für mich, dass es wieder Visionen braucht. Wir müssen eine positive Vorausschau für die Menschen entwickeln, die ohne Zuspitzungen, Bashing und „Bürgerkriegs-Sager“ auskommt.
Strukturell brauchen wir dringend Formate, in denen die Menschen wirklich mitreden können. Ich meine damit nicht Schnellschuss-Volksabstimmungen, sondern eine Rückbesinnung auf alte Tugenden, modern interpretiert. Früher traf man sich am Stammtisch, heute auf Facebook und Co. Es braucht wieder mehr persönlichen Kontakt zwischen „Elite“ und den Menschen, die tagtäglich (mehr oder weniger hart) ums Überleben kämpfen.
Zu guter Letzt brauchen wir eine neue Form von Wahlauseinandersetzungen. Zugespitzte TV-Duelle, unendliche, polarisierende Wahlempfehlungen und besonders die Fokussierung auf die Schwächen des Gegenkandidaten führen unweigerlich in den Abgrund. Sie erzeugen die Grundstimmung, die wir in der Weltgeschichte schon oft gesehen haben – immer wieder mit Gewalt als Ergebnis.
Meine Vision
Ich habe in letzter Zeit immer wieder mit jungen Politiker_innen aus unterschiedlichen Parteien gesprochen und wir waren uns in einem einig: Wir müssen diese Änderung herbeiführen. Ich selbst kenne in jeder Partei zumindest eine Person, mit der ich positive Zukunftsvisionen sachlich diskutieren kann und ich weiß, dass das allen so geht. Genau dieses Klima müssen wir konservieren, um nicht die gleichen Fehler zu wiederholen. Die Aussage „Die Zukunft gehört der Jugend“ ist zwar schon bis ins Unerträgliche ausgetreten – aber es stimmt.
Wir müssen jetzt beginnen über Parteigrenzen hinweg, getragen von den Jungen (und Junggebliebenen), eine Gesprächsbasis aufzubauen und diese zu erhalten. Wir werden die Vielfalt an Wissen und Meinungen nutzen, wir werden die Unterschiedlichkeit als Bereicherung sehen und wir werden gemeinsam dafür sorgen, dass Zuversicht und Freude regiert.
Ja, es ist eine Vision. Aber ich will mir nie vorwerfen, sie nicht offen gesagt zu haben!
Titelbild: (c) The Apex Archive, flickr.com
Ich bin nun zwar nicht mehr jung, aber ich kenne auch in vielen Parteien Menschen. Ja,m der Diskurs über die Parteigrenzen hinaus ist richtig und wichtig. Aber der Wahlkampf, wird dadurch nicht ersetzt werden, denn beim Wahlkampf kämpfen ja alle mit, auf die eine oder andere Art. Auch der Politikverweigerer, der sagt: „Mich interessiert diese Streiterei nicht mehr ich wähle überhaupt nicht mehr… die sind ja alle so widerlich negativ und böse!“ Gerade der „kämpft auf eine sehr perfide Art und Weise mit: er macht gleich ALLE Kandidaten nieder indem er ihren „Diskurs“ als Streiterei abstempelt. Er entzieht ihnen die „Liebe“ indem er einfach überhaupt das Interesse an der Wahl aufkündigt. Er stellt sie erst recht in das negative Eck. Es sind oft die Sympathisanten, die besonders ekelhaft Anwürfe auf den Gegner ihres Favoriten loslassen und das schlimme Bild erst wirklich hervorrufen: Stifchwort Hasspostings. Die Motive dafür sind sicher sehr vielfältig. Aber die Opfer solcher Anwürfe dann als die Bösen hinzustellen, ist unreif. Richtig ist es, dass es viel mehr persönliche Kontakte braucht. Das unterschreibe ich voll.