In den letzten Monaten häufen sich Freunde und Bekannte, die den Plan hegen sich selbstständig zu machen. Und die Wünsche und Hoffnungen, die damit einhergehen, gleichen sich wie eine Seifenblase der anderen. Ich will keinen Nine to Five Job, bei dem ich den ganzen Tag im Büro sitze. Ich möchte mir die Zeit selbst einteilen oder mal früher gehen, wenn es gut passt. Ich will mein eigener Chef sein und mir nicht dauernd sagen lassen, wie ich zu arbeiten habe, obwohl ich es selber viel besser weiß. So oder so ähnlich klingt ein jeder, der den Traum der Selbstständigkeit hegt und jahrelang mit sich herum trägt.
Ich selbst bin seit knapp drei Jahren selbstständig. Mit eigenem Firmennamen, eigenem Büro, eigener Website und sogar eine eigene Facebook-Seite gibt es. In meinem Umfeld tummeln sich seitdem natürlich immer mehr Menschen, die sich ebenfalls selbstständig gemacht haben, in den unterschiedlichsten Branchen, Formen und mit komplett unterschiedlichen Zielen. Aber sie alle hatten den Wunsch frei zu sein, selbstbestimmt, ihr eigener Herr (oder Dame) eben. Doch auch hier gleichen sich die Aussagen. Ich überlege immer wieder, ob ich mir nicht doch einen Job suchen soll. Dieses ständige „dem Geld nachrennen“ und den Kunden erklären, wieso es wichtig ist, dass … nervt einfach. Ich will mal wieder um fünf Uhr nach Hause gehen und einfach abschalten. Ohne, dass das Handy um 21 Uhr noch klingelt, ich irgendein Konzept fertig machen oder auf eine Netzwerkveranstaltung muss.
Obwohl nur ein kleiner Bruchteil der Angestellten sich wirklich selbstständig macht. Und obwohl nur ein kleiner Bruchteil der Selbstständigen sich wieder eine Anstellung sucht – die Unzufriedenheit in beiden „Lagern“ bleibt und sie wächst von Tag zu Tag. In beiden Fällen unterscheiden sich die Wünsche und Sehnsüchte nur marginal. Beide wollen Selbstbestimmung – weg vom Chef, weg vom Kunden. Beide wollen auch einmal abschalten. Beide wollen Zeit für sich und dann arbeiten, wenn sie wirklich produktiv sind.
Die Lösungen für all diese unerfüllten Wünsche und Probleme muss ein jeder für sich persönlich finden. Doch wie? Die Palette der Lösungsmöglilchkeiten ist überschaubar. Entweder man wählt das eine oder eben doch das andere. Selbstständigkeit oder Anstellung. Dabei wäre es längst an der Zeit die Grenzen zu sprengen und verschwimmen zu lassen. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung schwinden die Argumente für Nine-to-Five-vor-Ort-sitz-Jobs. Oder gibt es wirklich noch irgendjemanden, der es sinnvoll findet, wenn Angestellte Zeit absitzen, anstatt ergebnis- und projektbezogen, effizient und effektiv zu arbeiten? Es ist an der Zeit Arbeit neu zu denken. Stichwort Work-Life-Balance. Aber wie soll man bitte etwas in Balance bringen, wenn man keine Möglichkeit hat (Zeit-)Ressourcen frei zu verteilen?
Hier geht es zur vorherigen Folge von "Kleingeist und Größenwahn".