Ein Familienurlaub ist stets erkenntnisreich. Die Erkenntnis des diesjährigen Familienurlaubes, unter anderem verbracht in einem Spiele-Land in Deutschland, ist aber außergewöhnlich. Familienväter tragen überdurchschnittlich oft T-Shirts des weltweit agierenden Hard Rock Cafes. Unter dem weitum bekannten Logo stehen Städtenamen wie beispielsweise San Francisco. Getragen wird, unabhängig vom Alter des Familienvaters, sowohl T-Shirt als auch Hoodie.
Nach genauer Beobachtung der betroffenen Familienväter lassen sich die Gründe für diese modische Extravaganz einfach benennen. Hard Rock ist ein Narrativ der Rebellion und des Drogenkonsums. Harte Rockmusik erzählt von hemmungslosem Sex mit ständig wechselnden Gespielinnen. Dieses Szenario ist so weit weg wie nur irgendwie möglich, wenn Familienväter am Frühstückstisch in einem Spiele-Land sitzen und der Nachwuchs mal wieder den Orangensaft über den ganzen Tisch verschüttet hat.
Die einzige Droge die sich der verschlafene Vater an einem solchen Morgen einverleibt ist ganz viel Kaffee. Der unbändige Wunsch nach Sex und Drogen wird übertüncht von der Frage, ob der Sohn nicht doch jetzt eine frische Windel braucht oder ob das noch bis nach dem Frühstück warten kann. Die eigene Frau sah außerdem auch schon mal besser aus. Kein Wunder, denn in dieser Nacht musste sie als stillende Mutter gleich fünf Mal aufstehen.
In solchen Momenten wird das Narrativ Hardrock Cafe voll wirksam. Solcherart verzweifelte Familienväter haben nämlich wenig, was ihnen von ihrem ehemals wilden Leben geblieben ist. In diesen Augenblicken sehen sie hilfesuchend auf ihre Hardrock Cafe T-Shirts hinunter und lächeln still in sich hinein. Diese T-Shirts sind der Eskapismus des kleinen Mannes, des geschundenen Familienvaters.
Somit ist es kein Wunder, dass nicht bevorzugt T-Shirts aus nahe gelegenen Städten getragen werden. Je weiter weg, desto besser. Es sind Erinnerungen, die den übermüdeten Vater lebendig halten. Einst war er in San Francisco. Zwar nicht mit Blumen in den Haaren, aber immerhin leicht betrunken im dortigen Hard Rock Cafe. Er hat sich, für ein paar Augenblicke, absolut frei gefühlt. Sein T-Shirt, Schatten des damaligen Hier und Jetzt, konserviert diese Erinnerung und transferiert diese in den Alltag. In schwacher Form, aber immerhin.
Statt Kindergeschrei hat der verzweifelte Vater dadurch plötzlich kraftvolle, freiheitsversprechende Powerchords im Ohr. Statt „Papa, Papa“-Rufen erklingen die Stimmen von Paul Stanley und Gene Simmons. Statt der Rückkehr ins perfekt konzipierte Themen-Zimmer im Spieland malt er sich aus, wie zahllose blonde Groupies auf ihn warten. Abermals lächelt er dann. Aus seinen Tagträumen reißen ihn dann nur noch gröbere Malheure. Etwa solche, wenn die breiartige Frühstücks-Substanz des Sohnemann im Haar der schimpfenden Nachbarin landet.
Hard Rock Cafe T-Shirts sind Ausdruck einer Mini-Rebellion von Männern, denen eigentlich jedwede Energie für eine wirkliche Rebellion fehlt. Tiroler Familienväter können sich glücklich schätzen. Gestern hat das Hardrock Cafe Innsbruck eröffnet. Damit wird es einfacher, vom Narrativ Hardrock eingelullt und zum Wegträumen gebracht zu werden.
Selbstverständlich fällt dann die eigentlich Funktion der T-Shirts weg. Kein Tiroler Mann mag und kann mit einem Hardrock Cafe Innsbruck T-Shirt protzen. Aber einen leichten Rausch kann er sich auch dort antrinken. Und nichts spricht dagegen, das Hardrock Cafe San Franciso T-Shirt dennoch anzuziehen und seine Erinnerung an die damalige, freie und wildere Zeit mit einem Besuch des Hardrock Cafes um die Ecke aufzufrischen. Ein Besuch meinerseits ist jedenfalls fix für demnächst eingeplant.
Titelbild: (c) Stefan Schäfer / HRC Innsbruck