Wer genau hinhört und hinsieht, der entdeckt sogar in sonntäglichen Fernseh-Kochshows interessante und bedenkenswerte Sätze. „Wir Spitzenköche haben kein Problem mit Küche und dem Kochen. Wir haben ein Problem mit den Gästen“.
Bei Musik verhält es sich nicht viel anders. Es gibt Musiker, die vertreten die „reine“ Kunst, kümmern sich um Spieltechnik und Originalität, interessieren sich für die feinen Nuancen und schmecken alles mit einer Brise Abenteuerlust ab. Mit dem Musikmachen haben solche Musiker kein Problem. Aber mit den Zuhörern.
Beide hatten und haben zum Teil noch immer ein Vermittlungsproblem. Das Kochen hat aber seit längerer Zeit gute Vermittler. Die Medien sind auf den Zug aufgesprungen und machen Differenzen zwischen „Hochkulinarik“ und „Hausmannskost“ verständlich. Manchmal werden diese Dichotomien sogar aufgelöst. Etwa dann, wenn ein Spitzenkoch davon schwärmt, wie gut hundsgewöhnliche Spinatknödel gelungen sind. Bei Spitzenköchen, so wohl die sehr plausible These, gibt es manchmal eine Sehnsucht nach dem Einfachen. Dieses Einfache muss aber, no na net, sehr gut zubereitet sein. Der Teufel liegt quasi im kleinen Detail. Es geht um die feinen Unterschiede.
Wer aber vertritt die Musiker und deren feingliedrige, mal mehr mal weniger komplexe Kompositionen? Die Musikjournalisten. Das ist ein Problem. Zumal schon deshalb, weil alles in Mikro-Nischen zerfallen ist. Der Jazz-Kritiker schreibt über Jazz, der Metal-Kritiker über Metal. Andere Magazine wiederum kümmern sich um die sogenannten Popkultur. Überschneidungen gibt es selten. Höchstens dann, wenn ein popkulturell relevantes Jazz-Album erscheint, siehe Matana Roberts.
Darüber könnte man sich freuen. Für jeden steht die richtige Musik, die richtige Online-Plattform und das passende Magazin parat. Damit hat man sich aber, im Gegensatz zur Kulinarik, in eine Sackgasse manövriert. Wenn nur mehr in den jeweiligen Fachmagazinen über die jeweilige Musik geschrieben wird, dann bleibt man unter sich. Dann werden die großen Zusammenhängen nicht mehr vermittelt.
Wer schreibt denn darüber, dass sich der Hörer von freitonaler Musik auch von Zeit zu Zeit nach der Klarheit und Zugänglichkeit eines Popsongs sehnt? Wer führt aus, dass alles lediglich unterschiedliche Verfahren sind um mit Demselben umzugehen? Zu Beginn ist das Chaos, die amorphe Masse von Tönen und Möglichkeiten, die mit Spielstrategien, technischen Fertigkeiten und Konzepten bearbeitet und geformt werden. Anders gesagt: Ob man sich für musikalische Hausmannskost oder für „Hochkulinarik“ entscheidet, ist auch eine Frage der Stimmung. Man kann heute an einem Tag zum Wirt nebenan gehen und sich am nächsten Tag ein 8-Gänge-Menü gönnen, das mehr an eine Opern-Inszenierung denn an bloße Stillung des Heißhungers erinnert.
Zumindest theoretisch. Aber es braucht dringende eine andere, bessere Vermittlung von Musik und deren feiner Unterschiede. Ob es auch Fernsehsendungen geben sollte, die sich damit niederschwellig beschäftigen und Musik als ganz und gar alltäglich begreifen? Womöglich wär es ein interessanter und wichtiger Schritt. Wie Essen sollten wir täglich Musik hören. Aber nicht nur nebenbei, sondern ganz bewusst.
Wir sollten die Zusammenhänge und Unterschiede verstehen und verstehen lernen. Wir sollten nicht vor Ehrfurcht vor klassischer Musik erstarren und wir sollten Popmusik nicht als nur banal abtun. Wir sollten begreifen, wie die jeweilige Musik verfährt, was sie will und wie sie uns berührt oder auch auf Distanz hält. Das gelingt nicht nur dadurch, dass wir genau Zuhören. Es ließe sich auch „Nachspielen“ wie „Nachgekocht“ wird. Dadurch werden Funktionsweise und Beschaffenheit von Stücken beschreibbar, erfahrbar und von einem allzu hohen Podest geholt.
Kurzum: Wir als Musikjournalisten, Musikenthusiasten und Musikkritiker müssen anders vermitteln. Alles muss prinzipiell allen zugänglich gemacht werden. Wir dürfen nicht Elitäres für Eliten schreiben. Musik geht alle an. Wie kochen und essen. Nur dann kann der Einzelne wählen, was ihm gerade heute schmeckt und was er gerade heute hören möchte.
Titelbild: (c) Johannes Zakel, flickr.com
Ich als Hobbykoch, Hobbymusiker und kulinarischer Genießer von beiden, möchte nur sagen: Ein sehr gelungener Artikel. So wie ich auch manchmal gerne ein Synfoniekonzert anhöre darf es auch mal Punk sein. Auch beim Essen verschmähe ich nicht hin und wieder am Würstelstsand stehehen zu bleiben und zu eienen mehrgängigen Menü sage ich auch nicht nein. Es ist stimmungsanhängig. Das Leben bietet nicht immer das gleiche, so finde ich jedenfalls sollte man soweit es geht auch die Unterschiede genießen.